Diener des Boesen
Turnierlanze umgehen!
Seguin lächelte verächtlich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, doch der Erzbischof musterte Jeanne mit etwas mehr Achtung.
»Wenn dies dein Wunsch ist«, sagte er, »und der Dauphin seine Zustimmung gibt…«
»O ja!«, sagte Karl. Wenn sie den Tod fand, müsste er vielleicht nicht in den Krieg ziehen…
Jeanne warf ihm einen verärgerten Blick zu.
Der Erzbischof zuckte ergeben die Achseln. »Dann soll es so sein. Du hast eine Stunde, Jeanne, um zu beten und eine Rüstung anzulegen, und dann werden wir uns alle auf dem Platz vor den Burgmauern wieder einfinden.«
Katherine kam der ganze Tag wie ein Albtraum vor, der sich endlos hinzog.
Nach den Ereignissen am Morgen und Nachmittag – Katherine hegte keinerlei Zweifel daran, dass Jeanne jeden Ritter besiegen würde, der gegen sie antrat – würde sie sehr vorsichtig sein müssen, wenn sie etwas gegen das Mädchen unternehmen wollte. Nur ein Tag… ein einziger Tag…
Katherine holte tief Luft und rief sich ins Gedächtnis, dass Jeanne trotz des Heiligenscheins, der sie umgab, eine entscheidende Schwäche hatte… und diese Schwäche war der heilige Michael. Jeanne mochte Gottes Auserwählte sein, doch Gott hatte offenkundig vergessen, dass der heilige Michael eine große Gefahr für seine Ziele darstellen konnte.
Allerdings war sogar Gott hin und wieder der Versuchung erlegen, der sich der heilige Michael hingab.
Katherine musste ein Lächeln unterdrücken. Die Saat der Vernichtung, die dem Himmel ein Ende machen würde, war schon vor langer Zeit ausgebracht worden.
Sie blickte sich um. Rund um den Turnierplatz standen Reihe um Reihe, einfache Soldaten und Ritter mit ihren Knappen. Die meisten der Soldaten und ein Großteil der Ritter riefen voller Inbrunst Jeannes Namen. Fähnchen flatterten im Wind, Hunde liefen zwischen den Männern hin und her und bellten, als würden sie Dämonen aus der Hölle jagen, und der Himmel selbst schien sich zu Jeannes Ehren in sein bestes Gewand gehüllt zu haben.
Katherine zuckte innerlich mit den Schultern. Sie hoffte, Jeanne genoss das Ganze, solange sie noch konnte.
Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge, und Jeanne trat aus einer Lücke zwischen den Soldaten. Sie hatte ein langes Kettenhemd angelegt, das ihr bis zu den Knien reichte. Darüber trug sie einen weißmetallenen Harnisch, der Brust und Rücken bedeckte, und Plattenpanzer an Armen und Beinen, die durch Gelenke miteinander verbunden waren.
Ihr Kopf war unbedeckt, und ihr schwarzes, widerspenstiges Haar hing ihr bis auf die Schultern.
Hinter ihr folgte ein einfacher Soldat, der einen Helm ohne Visier und eine Lanze trug, während von seinem Gürtel etwas herabhing, das Katherine aus der Ferne nicht erkennen konnte.
Jeanne ging zum Erzbischof hinüber, beugte vor ihm das Knie und bat ihn um seinen Segen.
De Chartres zögerte einen Moment, schlug dann aber doch das Kreuz über ihrem gesenkten Kopf.
Jeanne erhob sich und ging als Nächstes zu Karl, um vor ihm ebenfalls niederzuknien und ihn um ein Zeichen seiner Gunst zu bitten.
Karl riss eines der Bänder an seinem linken Ärmel ab, kämpfte einen Moment lang ungeschickt mit dem Stoff und band den scharlachroten Fetzen dann um Jeannes linken Arm.
Der Stoff flatterte im Wind.
Jeanne bedankte sich bei Karl und erhob sich.
Einen Moment lang zögerte sie und blickte sich auf dem Platz um… doch dann entdeckte sie Katherine, die etwa zwanzig Schritt von ihr entfernt stand.
Jeanne bedeutete dem Soldaten, ihr zu folgen, ging zu Katherine hinüber und beugte zur Verblüffung der Zuschauer das Knie auch vor Karls Schwester.
»Ich habe eine Bitte an Euch«, sagte Jeanne und blickte zu Katherine hoch, doch in ihrem Blick lag nicht die geringste Spur von Achtung.
Katherine runzelte die Stirn.
»Mein Haar flattert so wild im Wind«, sagte Jeanne, den Blick auf Katherine gerichtet. »Nun, da ich für Gott kämpfe, brauche ich es nicht mehr so lang wachsen zu lassen, um meine weiblichen Reize hervorzuheben. Ich möchte Euch deshalb um einen großen Gefallen bitten. Schneidet es mir kurz, damit es mich in der bevorstehenden großen Schlacht nicht stört.«
Katherine lächelte. Das war eine hübsche Rede, Mädchen, und eine eindrucksvolle Geste, aber damit wirst du den Krieg nicht gewinnen.
Ich bin Gottes Auserwählte, gab Jeanne in Gedanken zurück, und du die Ausgeburt des Teufels.
Katherine schloss die Augen und wandte ihr Gesicht der Sonne zu. Ich weiß nicht, wie
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