Diener des Boesen
es geschehen wird, Jeanne, aber eines Tages wird die Sünde dein Untergang sein. Davon bin ich fest überzeugt.
Sie öffnete ihre Augen wieder und blickte auf Jeanne hinunter.
Jeannes Augen waren von Gelassenheit und Zuversicht erfüllt. Deine Worte jagen mir keine Angst ein. Ich vertraue auf Gott.
Katherine lächelte und streckte die Hand nach der Schere aus, die der Soldat ihr reichte. Sie hob sie hoch und ergriff dann eine Haarsträhne von Jeannes Kopf. Wenn du auf deinen furchtbaren Gott vertraust, sagte sie zu Jeanne in Gedanken, dann haben wir schon gewonnen. Sie packte die Haarsträhne fester, und die Schere schnitt unbarmherzig durch Jeannes Haar.
Eine Locke fiel herab, Katherine warf sie himmelwärts, und die Haare wurden vom Wind davongetragen. Dann packte sie etwas unsanft eine weitere Strähne und schnitt sie ab.
Als sie fertig war, warf sie die Schere zu Boden, drehte sich um und ging davon.
Sie brauchte sich dieses Turnier nicht anzusehen, um seinen Ausgang zu kennen.
Wenige Stunden später kam Philipp in das Gemach, das sie miteinander teilten.
Katherine stand von dem Schemel auf. Sie hatte an einem Wandteppich gearbeitet. »Hat Jeanne ihrem Gegner das Leben geschenkt, oder hat sie ihm mit der Lanze das Herz durchbohrt? Mehr will ich nicht wissen.«
Philipp warf ihr einen finsteren Blick zu und ging zu einem Tisch hinüber, um sich einen Becher Wein einzuschenken. »Sie ist tatsächlich Gottes Auserwählte, Katherine. Sie hat nicht nur ihr Schlachtross beherrscht, als sei sie auf dem Rücken eines Pferdes aufgewachsen, sie hat ihren Gegner auch noch beim ersten Anlauf aus dem Sattel gehoben.«
Katherine wartete, während Philipp einen Schluck Wein trank.
»Dann ist sie zu dem am Boden liegenden Mann hinübergeritten«, fuhr er schließlich fort, »hat die Lanze ins Gras geworfen und verkündet, dass sie niemals jemanden töten würde.«
Katherine nickte. »Ich habe die Jubelrufe bis hierher gehört.«
»Trotzdem scheinst du guter Stimmung zu sein, Katherine. Warum nur? Ich dachte, du könntest das Mädchen nicht leiden.«
»Das stimmt durchaus, und wir werden uns ihrer schon noch entledigen.« Katherine hatte lange allein vor sich hingebrütet und sich schließlich mit dem Gedanken getröstet, dass die Schwäche des heiligen Michaels früher oder später Jeannes Glauben erschüttern würde.
Die Sünde würde stets obsiegen.
Katherine lächelte, ging zu Philipp hinüber und legte ihm die Hand auf die Brust. »Aber noch nicht jetzt. Sie kann uns und unseren Zwecken noch von Nutzen sein.«
»Und wie?«
»Wäre es nicht besser, wenn wir ihr die schwierige Aufgabe überlassen, Frankreich von den Engländern zu befreien?«, fragte Katherine. »Wenn sie das erst einmal geschafft hat…«
»Sie ist von Gott gesegnet, Katherine. Mir gefällt der Gedanke nicht, mich gegen sie zu stellen.«
Katherine hielt inne; ihre Miene wurde nachdenklich. »Früher oder später«, sagte sie, »wird Jeanne sich selbst verurteilen, und dann wird auch der Rest der Welt es tun.« Sie hielt inne, den Blick in die Ferne gerichtet. »Und ich glaube, dass dieser Tag nicht mehr fern ist.«
Kapitel Zwölf
Am Vigil der Empfängnis der Heiligen Jungfrau
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Mittwoch, 7. Dezember 1379)
Ordensgeneral Richard Thorseby näherte sich Rom auf ganz ähnliche Weise wie einst Thomas Neville: auf einem Maultier, das Gesicht der Kälte wegen vor Unbehagen verzogen, während er versuchte, sich die eisigen Finger zu wärmen. Wie Neville machte auch Thorseby am Nordtor der Stadt, der Porta del Popolo, Halt, um den Torhüter Gerardo zu fragen, wie er das Kloster Sant’ Angelo finden könnte.
Doch im Unterschied zu Neville bedankte sich Thorseby nicht bei Gerardo und gab ihm auch keine Münze.
Prior Bertrand hieß Thorseby mit größerer Herzlichkeit willkommen als einstmals Neville. Bertrand war Thorseby vor einigen Jahren schon einmal begegnet, und obwohl er ihn für einen äußerst humorlosen Mann hielt, bewunderte er ihn zugleich auch für seine Glaubensstärke und Ergebenheit gegenüber dem Orden. Nachdem Thorseby und Bertrand im Speisesaal des Klosters zu Abend gegessen und sich in die Abgeschiedenheit von Bertrands Zelle zurückgezogen hatten, um sich ungestört unterhalten zu können, wandte sich ihr Gespräch dem Thema zu, das sie beide am meisten beschäftigte: Thomas Neville.
Thorseby hatte Bertrand bereits in einem Brief über Thomas’
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