Diener des Boesen
Schwangerschaft – und erst recht, seit ihr klar geworden war, welche Rolle sie in der großen Schlacht spielen würde, die bevorstand – hatte sich Margaret nach der Umarmung eines Mannes gesehnt, in der sie sich geborgen fühlen konnte. Hal liebte sie, doch er zählte nicht, denn er konnte ihr nicht die Art von Liebe geben, die sie brauchte.
Außerdem hatte Hals Liebe für Margaret ihn nicht davon abgehalten, sie für seine Zwecke zu benutzen – unsere Zwecke, berichtigte sich Margaret. Es ist schließlich nicht nur sein Kampf.
Die Zeit mit ihrem ersten Gemahl Roger war schön gewesen, aber auch sehr enttäuschend. Ein zeugungsunfähiger Ehemann, der im Krankenbett dahinsiechte, brauchte selbst Liebe – er hatte ihr keine geben können. Und Raby? Margaret seufzte. Raby war ein guter Mann, doch mehr noch als viele andere Adlige verlangte es ihn nach den Titeln und der Macht, die er durch die Verbindung mit einer Frau gewinnen konnte.
Also zurück zu Thomas. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu ihm zurück. Doch wie konnte sie ihm vertrauen, wenn sie wusste, dass er beim nächsten Mal, wenn er sie für seine Schatulle, seinen Gott oder den Erzengel verraten würde, ihr Todesurteil unterschrieb? War das nicht das, worauf es Gott und der heilige Michael abgesehen hatten?
Wie konnte sie das Wagnis eingehen, ihn zu lieben, oder ihm gestatten, sie zu lieben, wenn nur der Tod auf sie wartete?
Neville war es schwer ums Herz, als er Margaret betrachtete. In den letzten drei Monaten, seit sie in den Norden gereist waren, hatte sie nur das Nötigste mit ihm gesprochen. In den drei Monaten, seit jenem furchtbaren Tag, als er hatte feststellen müssen, dass seine Gemahlin für nichts und wieder nichts geschändet worden war.
Wenn er in der Abgeschiedenheit ihres gemeinsamen Gemachs versuchte, sie zu berühren oder zu liebkosen, war sie vor ihm zurückgewichen. Neville wollte sie um Vergebung bitten, sie in die Arme nehmen und über den Schmerz hinwegtrösten, den sie seinetwegen erlitten hatte… doch selbst das ließ Margaret nicht zu.
Neville hatte sich in den vergangenen Monaten stark verändert. Er hatte geglaubt, er sei bereit, seine Gemahlin – und die Bolingbrokes – zu opfern, wenn er dafür die Schatulle in seinen Besitz bringen könnte… und die Feststellung, dass der Preis, den er hatte zahlen müssen, höher war als der Gewinn, war für ihn ein furchtbarer Schlag gewesen.
Neville hätte Bolingbroke die Schuld an der Sache geben können, denn das Ganze war seine Idee gewesen. Doch das tat er nicht. Er hätte auch Richard beschuldigen können, denn dieser hatte ihn zu dem Glauben verleitet, er hätte die richtige Schatulle gefunden. Aber auch das konnte er nicht. Er verabscheute Richard zwar immer noch als Dämonenkönig und verachtete ihn für das, was er Margaret angetan hatte, doch er konnte ihm nicht die Schuld geben.
Stattdessen fühlte er sich selbst schuldig. An jedem Tag, zu jeder Stunde durchlebte er im Geiste erneut den grauenhaften Moment, als ihm klar geworden war, dass der Inhalt der Schatulle wertlos war.
Wieder und wieder hörte er die Worte, die seine verletzte Gemahlin auf dem Krankenlager zu ihm gesagt hatte: Ist das nicht die Aufgabe, für die die Engel dich auserwählt haben? Den großen frommen Geistlichen, der kaltherzig genug ist, um im Namen seiner göttlichen Mission selbst Unschuldige den Flammen zu überantworten?
Gütiger Himmel! Er hatte Alice in den Flammentod geschickt und Margaret beinahe ebenfalls.
Er hatte immer geglaubt, er würde nichts für Margaret empfinden.
Doch nun wusste er, dass das nicht stimmte.
Er hatte geglaubt, es würde ihm nicht schwerfallen, sie zu opfern.
Jetzt war ihm klar, dass er es nicht konnte.
Er war einmal stolz genug, blind genug gewesen, um zu glauben, dass die Liebe keine Rolle spielte.
Nun wusste er, dass er sich geirrt hatte.
Plötzlich füllten sich seine Augen mit Tränen, doch er wischte sie nicht gleich fort – der Himmel allein wusste, wie viele Tränen er in den letzten Monaten vergossen hatte. Seine ständigen quälenden Selbstvorwürfe waren zu einer schwärenden Wunde geworden, die nicht heilen wollte und ihn seine einstige engstirnige Entschlossenheit, die Schatulle zu finden, hatte vergessen lassen. Niemals wieder würde er Margaret oder irgendjemand sonst dafür opfern, um sie in seinen Besitz zu bringen. Der heilige Michael hatte ihm gesagt, dass die Schatulle irgendwann ihn finden würde – so sollte es sein, er
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