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Diener des Boesen

Diener des Boesen

Titel: Diener des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
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überlassen, und nun hatte er auch Margaret im Stich gelassen.
    Jetzt war auch sie für ihn verloren. Sie war zwar immer noch an seiner Seite, aber in gewissem Sinn war sie für ihn ebenso tot und unerreichbar wie seine Eltern und Alice.
    Seine Gefühlskälte hatte sie getötet.
    War diese Kälte womöglich auch schuld daran gewesen, dass seine Eltern an der Pest erkrankt waren? War ihr Kind so abweisend gewesen, dass der Lebensfunke in ihnen erloschen war?
    Nach dem Tod seiner Eltern hatte Neville Zuflucht in der rauen Männerwelt gesucht, im Zweikampf und in der Schlacht, im Nervenkitzel, der ihn durchströmte, wenn er einen Gegner tötete, und in den sinnlichen Freuden des Schlafgemachs.
    Als Alice gestorben war, hatte Neville gehofft, in den Armen der Kirche Erlösung zu finden, und diese hatte ihn willkommen geheißen, ebenso wie Gottes Engel.
    War er nicht schließlich einer der Ihren geworden? Ein Auserwählter Gottes?
    Ist das nicht die Aufgabe, für die die Engel dich auserwählt haben? Den großen frommen Geistlichen, der kaltherzig genug ist, um im Namen seiner göttlichen Mission selbst Unschuldige den Flammen zu überantworten?
    War es wirklich das, was Gott von ihm verlangte? Wollte Gott einen Mann, der nichts als eine selbstgerechte, kaltherzige Hülle war?
    Oh, gütiger Himmel! Er spürte die Leere neben sich in seinem Bett.
    Er spürte die Leere in seinem Inneren.
    Es wäre doch sicher nicht schlimm, sie zu lieben… oder?
    Nein, sicherlich nicht. Er konnte die schicksalhafte Entscheidung später noch treffen, wenn es nötig war.
    Im Augenblick musste er die Leere in seinem Inneren füllen oder zugrunde gehen.
    Neville ballte die Fäuste und versuchte, seiner Gefühle Herr zu werden, dann rollte er sich herum.
    Margaret saß zusammengesunken auf der Bank vor dem großen Erkerfenster des Gemachs. Sie lehnte ihren Kopf gegen das Glas und ließ den Blick über die dunkle Winterlandschaft wandern.
    Neville erhob sich leise vom Bett, nahm eine Decke, wickelte sich darin ein und ging zu ihr hinüber.
    Der Erker war eine beeindruckende Konstruktion, eine der vielen prunkvollen Neuerungen, die Lancaster in Kenilworth hatte einbauen lassen. Er war etwa zehn Fuß lang, sechs Fuß tief und zwölf hoch, und das Bleiglasfenster wies auf die Felder hinaus, die sich um die Burg herum erstreckten. Dieses Fenster machte das Gemach zu einem der schönsten in ganz Kenilworth, und Neville wusste nur zu gut, dass sie allein Margaret zuliebe hier einquartiert worden waren.
    Er nahm auf der mit Kissen ausgelegten Bank Platz und zog die Decke fester um seinen Leib, um sich gegen die Kälte zu schützen, die von dem eisigen Glas ausging.
    Er saß ein Stück weit von Margaret entfernt. Seit jener furchtbaren Nacht war sie stets vor seinen Berührungen zurückgewichen. Drei Monate lang hatte Neville nicht einmal ihre Hand gehalten, geschweige denn ihr Gesicht gestreichelt oder sie geküsst.
    Der große fromme Geistliche, der kaltherzig genug ist, um im Namen seiner göttlichen Mission selbst Unschuldige den Flammen zu überantworten.
    Kaltherzig genug, um die Schändung seiner Gemahlin in Kauf zu nehmen, wenn er dadurch eine wertlose Schatulle in seinen Besitz bringen konnte.
    Zu kaltherzig, um zu lieben?
    Margaret drehte leicht den Kopf und sah ihn an. Auch wenn sie nicht mit ihm sprach, nahm sie doch zumindest seine Anwesenheit zur Kenntnis.
    Neville blickte ihr einen Moment lang in die Augen. In dieser Nacht sah sie wunderschön aus: Ihr rotes Haar, in dem hie und da ein paar goldene Strähnen glänzten, ihr blasses Gesicht, ihre dunklen Augen, die ebenso unnahbar waren wie die Wolken, die über den Nachthimmel dahinjagten. Sie war in einen schwarzen Umhang gehüllt, der ihren Leib so vollständig bedeckte, dass nicht einmal ihre Hände oder ihr Hals in den Falten zu erkennen waren.
    Neville sah aus dem Fenster. Tief unter ihnen erstreckten sich bis zum Horizont die Felder von Warwickshire. Er hielt den Atem an, denn die Winterlandschaft war unbeschreiblich schön.
    Die Felder waren mit Schnee bedeckt, die kahlen Äste der Bäume mit einer Eisschicht überzogen. Schwere Schneewolken jagten über den Himmel, während ihre Schatten über die unwirkliche Landschaft dahinglitten. Die vereisten Äste der Bäume schwankten und zitterten im Wind; ein einsamer Fuchs lief mit angelegten Ohren über einen gefrorenen Feldweg und verschwand in einem dunklen Brombeergesträuch.
    Die Schönheit des Winters erinnerte ihn an eine andere

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