Diener des Boesen
Abraham sollte seinen Sohn Isaak töten, um seine Liebe zu Gott unter Beweis zu stellen.«
»Und hat Gott Abraham dann nicht seine Gnade bewiesen?«
»Gott hat seinen eigenen Sohn getötet.«
Darauf konnte Neville nichts erwidern.
»Wenn er sogar seinen eigenen Sohn kreuzigen lassen konnte, dann glaube ich kaum, dass Gott mir gegenüber gnädig sein wird«, flüsterte Margaret.
»Margaret… ich werde dich nicht noch einmal im Stich lassen. Das kann ich nicht! Gütiger Himmel, ich verabscheue inzwischen den Mann, der dich in Richards Gemach geschickt hat. Ich war so sehr von dieser verfluchten Schatulle besessen, dass ich sogar bereit war, dich zu opfern, um sie in meinen Besitz zu bringen. Und wofür? Wofür?«
Margaret schwieg.
Neville holte tief Luft. »Ich habe zugelassen, dass Alice sich umgebracht hat, anstatt ihr beizustehen oder zuzugeben, dass ich sie liebe. Ich will nicht auch noch für deinen Tod verantwortlich sein.«
»Du hast einen wichtigen Auftrag zu erfüllen, Tom. Du kannst mich nicht lieben.«
»Nichts ist wichtiger als du, Margaret«, sagte er mit grenzenloser Zärtlichkeit.
Sie begann zu weinen. »Das darfst du nicht sagen…«
»Es bereitet mir unendliche Freude, das zu sagen. Margaret… ich habe so lange dagegen angekämpft, dich zu lieben. Als Hal mir einen Plan vorgeschlagen hat, wie wir diese…«, Neville zögerte, und Margaret sah, wie er gegen den Zorn ankämpfte, der in ihm aufsteigen wollte, »diese Schatulle an uns bringen könnten, habe ich es hingenommen, dass du dadurch in Gefahr gerietst, weil ich glaubte, die Schatulle sei es wert. Doch ich habe mich geirrt. Nein, Margaret, lass mich ausreden.«
Er rutschte über die Bank auf sie zu und ergriff ihre Hand. »Margaret, selbst wenn es die richtige Schatulle gewesen wäre, wäre sie nicht das Leid wert gewesen, das Mary und du erdulden musstet. Weißt du noch, was du in jener Nacht zu mir gesagt hast? Du hast gesagt, Gott und die Engel hätten mich auserwählt, weil ich ein kaltherziger, frommer Geistlicher sei, kaltherzig genug, um für meinen göttlichen Auftrag selbst Unschuldige den Flammen zu überantworten. Margaret«, er drückte ihre Hand fester und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen, »der kaltherzige, fromme Mann ist in jener Nacht zerbrochen. Er ist zerbrochen, als ihm klar wurde, was er getan hatte. Dass er schon wieder eine Frau in den Flammentod geschickt hatte, weil er daraus einen Vorteil ziehen konnte. Mary hat gesagt, ich sei es gewesen, der dich in jener Nacht geschändet hat. Sie hat recht gehabt. Margaret…«
Neville versagte die Stimme, und er musste einen Moment lang den Blick von ihr abwenden. »Margaret, seit drei Monaten hast du dich nun schon meinem Leben entzogen, und diese Monate waren so leer… so trostlos. Ich möchte, dass du zu mir zurückkehrst, doch ich habe nicht das Recht, dich darum zu bitten.«
Sie blickte ihn schweigend an.
»Beim Heiland«, flüsterte Neville und versuchte verzweifelt, die richtigen Worte zu finden, um zu ihr durchzudringen und das wiedergutzumachen, was er ihr angetan hatte. »Margaret, ich habe dich von dem Moment an geliebt, als ich dein Gesicht über dem der Frau sah, der ich im Juli letzten Jahres beigelegen habe, an dem Nachmittag, als wir Rosalind gezeugt haben. Dennoch habe ich diese Liebe in Hass gehüllt, denn das war die einzige Art, wie ich damit umgehen konnte. Nur so konnte ich mich retten. So bin ich auch über Alice’ Tod hinweggekommen. Und über den Tod meiner Eltern. Ich habe mich in Frömmigkeit und Gleichgültigkeit geflüchtet und mir eingeredet, dass mich das zu einem großen Mann machen würde, einem Mann Gottes. Aber es hat mich nur umso nichtswürdiger gemacht – mich in einen abscheulichen Mann verwandelt, der in Gottes Augen sicherlich ebenso hässlich war wie in deinen.«
»Und der heilige Michael?«
»Der heilige Michael wird sicher verstehen…«
Margaret verzog verächtlich den Mund.
»Margaret, Margaret, die Schatulle kann für mich niemals dich und deine Liebe ersetzen.«
»Aber eines Tages wirst du sie finden«, sagte Margaret mit gebrochener Stimme, »und ihre Geheimnisse erfahren. Eines Tages wirst du die Wahl treffen müssen und mich den Flammen überantworten, wenn die Menschheit gerettet werden soll. Das weißt du!«
Neville nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Margaret, ich schwöre dir, wenn dieser Tag kommt, werde ich die Liebe entscheiden lassen… nicht kalte Gleichgültigkeit oder Furcht oder fromme
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