Diener des Boesen
atemberaubende Landschaft – deren Wundern er sich einst verschlossen hatte.
»Als ich die Alpen überquert habe«, sagte Neville, den Blick weiterhin auf die Landschaft gerichtet, »bin ich einem jungen Mann namens Johann Biermann begegnet. Ich bin damals nicht recht schlau aus ihm geworden und habe mich über ihn geärgert, weil er ständig die schneebedeckten Gipfel betrachtete und ihre Schönheit bewunderte. Für mich waren diese Berge hässlich und gottlos… unnütze Felshaufen, die nur ein Hindernis auf unserem Weg und den Zwecken der Menschen nicht dienlich waren. Doch nun?« Neville schüttelte leicht den Kopf, als sei er erstaunt über sich selbst. »Nun kann ich verstehen, warum Johann sie für schön hielt.«
Margaret schwieg weiterhin. Sie wollte nicht auf ihn eingehen.
Neville blickte sie an. »Auch dich habe ich einmal für gottlos gehalten und geglaubt, du könntest mir nur für das Erreichen meiner Ziele dienlich sein. Doch nun? Nun bist du in meinen Augen ebenso wundervoll wie die Landschaft vor uns. Du sagtest, du gehörest zu den Engeln, und wenn ich dich heute Abend so ansehe, wie du diese überirdische Landschaft betrachtest, glaube ich es, denn du bist nie schöner gewesen.«
Er zögerte und wünschte sich, sie würde ihm in die Augen sehen, doch sie blickte weiterhin ungerührt aus dem Fenster.
Die Kälte, die durch das Glas drang, ließ ihn erneut erschauern, und er zog die Decke noch fester um sich.
»Ich war ein hartherziger Mann«, sagte er und zwang sich weiterzusprechen. »Ein gefühlloser Mann. Ich habe mich immer nur für meinen göttlichen Auftrag interessiert und mit allen, die mir im Weg standen, kurzen Prozess gemacht. Du hast recht. Es ist kein Wunder, dass der heilige Michael mich auserwählt hat.«
Die letzten Worte klangen barsch und verbittert, und Margaret wandte endlich den Blick vom Fenster ab und sah Neville an.
Er holte tief Luft und erwiderte ihren Blick. »Ich habe mich heute Abend im Saal umgesehen und die anderen beobachtet, mit denen wir zusammensaßen. Lancaster und Katherine… gütiger Himmel, Margaret, in meinem ganzen Leben habe ich keine zwei Menschen gesehen, die einander mehr geliebt hätten! Und dann mein Onkel Raby und Johanna… ihre Liebe ist nicht so stark wie die zwischen Lancaster und Katherine, doch sie begegnen einander mit großer Achtung und Fürsorge, die über die Jahre sicher noch zu einer starken Liebe heranreifen wird. Und dagegen«, fuhr Neville leise fort, »Hal und Mary. Ihre Verbindung ist von Kälte und Furcht geprägt. Sie bringen einander keinerlei Achtung entgegen. Und dann«, seine Stimme wurde zu einem Flüstern, »du und ich…«
Er blickte wieder auf die schneebedeckten Felder hinaus. »Hal und ich schwimmen in einem kalten, dunklen Meer, Margaret. Für ihn kann ich nicht sprechen, aber ich für meinen Teil würde gern nach Hause zurückkehren.«
Schließlich drehte er sich zu ihr um. »Wie kann ich den Weg dorthin finden?«
»Frag deinen Gott, Tom, nicht mich!«
»Es ist nicht Gott, zu dem ich heimkehren will.«
»Gib acht, Tom, denn du bist der Verdammnis näher, als du denkst.«
»Ach«, sagte er leise. »Diese verfluchte Prophezeiung. Wenn ich dir meine Seele schenke, ist die Menschheit verloren.«
Er verfiel wieder in Schweigen und zupfte an einem losen Faden an der Decke herum.
Margaret saß steif da und ließ ihn nicht aus den Augen.
»Weißt du«, sagte er schließlich und betrachtete sie mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. »Ich habe hier gesessen und mich gefragt, wie ich deine Schönheit am besten in Worte fassen kann. Aber«, er schenkte ihr ein Lächeln und sein jungenhafter Charme traf Margaret überraschend, »ich bin kein Dichter und finde nicht die richtigen Worte. Ich wünschte, wir wären zu Hause in Halstow, denn dann könnte ich auf die Talente Meister Tussers zurückgreifen.«
Sein Lächeln wurde breiter, und Margaret wurde mit einem Mal klar, dass er einen Scherz gemacht hatte.
»Ich würde ihn zu mir rufen«, fuhr Neville fort, »und ihn bitten, einen seiner verfluchten Verse für mich zu schreiben und darin deine Schönheit zu preisen. Kannst du dir vorstellen, was für ein Gedicht das wäre? ›Schöne Frau, Euer Antlitz strahlt heller als Heu im Sonnenschein, Eure Lippen sind zarter als der junge Spross des Hopfens.‹«
Margaret starrte ihn mit offenem Mund an und fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte. Doch als sie seine Mundwinkel zucken und den Schalk in seinen Augen
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