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Diener des Boesen

Diener des Boesen

Titel: Diener des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kohlebecken auf und ab ging, schaute zu ihm hinüber.
    »Warum bist du so spät noch wach, Mary?«
    Bolingbroke schloss die Tür hinter sich und bemerkte, dass Marys Gesicht bleich vor Furcht war.
    Sie griff sich mit der Hand an den Hals und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Ich bin aufgewacht… und du warst nicht da. Ich habe mich gefragt…«
    Sie senkte den Blick und betrachtete das Schwert, das Bolingbroke trug. »Es tut mir leid, mein Lord. Ihr seid mir keine Erklärung schuldig.«
    Bolingbroke machte ein paar Schritte auf Mary zu und blieb dann stehen, als sich ihre Augen noch mehr weiteten. »Mary…«
    Sie wich vor ihm zurück und ging auf ihre Seite des großen Bettes hinüber. »Ich werde Euch keine Schwierigkeiten machen, Herr.«
    Sie schlug die Decke zurück und kroch darunter. Aus lauter Eile und Furcht vergaß sie sogar, ihren Umhang abzulegen.
    Bolingbroke betrachtete sie verwirrt, nahm seinen Schwertgürtel ab und legte ihn auf einer Truhe an der Wand ab.
    Wovor fürchtet sie sich nur?, fragte er sich.
    Doch dann wurde Bolingbroke klar, dass Marys Verhalten an diesem Abend nichts Ungewöhnliches war. In seiner Gegenwart war sie stets angespannt und nervös, er hatte es nur heute zum ersten Mal bemerkt, da er immer noch von der Zuneigung erfüllt war, die zwischen Tom und Margaret geherrscht hatte.
    Und das war auch kein Wunder, wenn man bedachte, mit wie viel Hass und Gewalt er sie in ihrer Hochzeitsnacht genommen hatte. Und dann hatte er sie ebenso kaltblütig wie Thomas in Richards Gemach geschickt.
    Einen schrecklichen Augenblick lang sehnte sich Bolingbroke nach der Freiheit des Junggesellendaseins zurück, doch es gelang ihm, der Versuchung zu widerstehen, und er schalt sich im Geist dafür, dass ihm nicht schon früher aufgefallen war, wie unwohl sich Mary in seiner Gesellschaft stets fühlte.
    Mary hatte Besseres verdient, nicht nur weil die Mitgift aus ihren Ländereien und Titeln seine Macht erheblich vergrößert hatte, sondern auch, weil sie als seine Gemahlin und als ehrbare und tugendhafte Frau ein Anrecht darauf hatte.
    Eine Frau, die schwer krank war.
    Bolingbroke hatte gemeinsam mit Mary getrauert, als sie das Kind verloren hatte… sie hatte gehofft, sie könnte ihm einen Sohn schenken. Doch er war nicht richtig traurig gewesen. Er hatte gewusst, dass sie kein Kind würde austragen können, selbst wenn sie von ihm schwanger wurde. Bereits als sie das Kind empfangen hatte, war ihm klar gewesen, dass sie es verlieren würde.
    Hatte er nicht schon vor ihrer Hochzeit den dunklen Schatten bemerkt, der in ihrem Inneren schlummerte?
    Er liebte sie nicht und würde sie auch nie lieben, doch Mary hatte sein Mitgefühl verdient, und sie sollte sich vor allem nicht vor ihm fürchten müssen.
    Bolingbroke schloss kurz die Augen. Unterschied er sich überhaupt noch von Richard und all den anderen, die er verabscheute und vernichten wollte? Seine Gegner sollten sich vor ihm fürchten und hatten seine erbitterte Feindschaft verdient… doch Mary war nicht seine Gegnerin.
    Sie hatte ein Kind verloren, und Bolingbroke konnte ihre Trauer verstehen.
    Das Schweigen zwischen ihnen dauerte an, und so zog Bolingbroke seine Tunika und die Stiefel aus, ging zu Marys Bettseite hinüber und löste währenddessen auch die Schnürung seines Hemdes.
    Gütiger Himmel, wie ängstlich sie mich anschaut.
    »Mary«, sagte er, setzte sich auf die Bettkante und ergriff ihre schlaffe Hand. »Was ist mit dir?«
    »Nichts, mein Lord!«
    Er strich mit dem Daumen über ihren Handrücken und wiederholte mit einem Lächeln die Worte, die er einst zu Neville gesagt hatte: »Nur in der Öffentlichkeit musst du mich mit ›mein Lord‹ ansprechen, Mary. In unseren Privatgemächern sind wir Hal und Mary. Also, was hast du?«
    »Nichts…«
    Er lächelte erneut. »Etwas stimmt nicht mit dir. Wenn du es mir nicht aus freien Stücken erzählen willst«, sagte er und gab sich Mühe, seine Worte scherzhaft klingen zu lassen, »dann muss ich es dir wohl befehlen, denn jede gute und treue Ehefrau sollte sich ihrem Gemahl anvertrauen.«
    Lange Zeit herrschte Schweigen, während Mary auf die Bettdecke starrte. Als sie schließlich das Wort ergriff, klang ihre Stimme suchend und furchtsam. »Ich habe mich gefragt«, sagte sie und errötete leicht, während ihr Blick zu Bolingbrokes Gesicht wanderte, »warum du so spät noch fort bist, und ich dachte… ich dachte… vielleicht hast du ja…« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern.

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