Diener des Boesen
»Vielleicht hast du eine andere gefunden, die…«
»Du dachtest, ich sei zu einer Geliebten gegangen?« Bolingbroke lachte, ehrlich belustigt, und Mary atmete erleichtert auf. »Nein, meine Liebe, ich habe keine Geliebte. Ich würde dir niemals solche Schande machen.«
Und eine Ablenkung kann ich im Augenblick weiß Gott nicht brauchen.
Mary wirkte zwar erleichtert, doch sie mied immer noch seinen Blick, deshalb fuhr Bolingbroke fort: »Unsere Ehe hat nicht gut begonnen, Mary, doch daran trägst nicht du die Schuld. Ich habe mich nicht genug um dich gekümmert und bin dir ein schlechter Gemahl gewesen.«
Er drückte ihre Hand, und seine Stimme wurde ernst. »Schlimmer noch, ich habe dich vernachlässigt und dich in meine elenden Machenschaften mit hineingezogen. Und damit habe ich dich zutiefst verletzt. Ich möchte dich um Verzeihung dafür bitten. Und ich wünschte, das hätte ich schon eher getan.«
»Es ist ein schlimmer Tag gewesen, Hal. Wir haben viele unkluge Entscheidungen getroffen.«
»Ja«, sagte Bolingbroke und auf seinem Gesicht spiegelte sich Reue. Und dennoch hat er seinen Zweck erfüllt, dachte er, wenn Margaret und Neville nun in Liebe vereint sind.
»Mary.« Bolingbroke zögerte und fragte sich, wie er sich seinem nächsten Anliegen am besten nähern sollte. »Mary, ich weiß, dass Tom sich heute Nacht mit Margaret versöhnt hat, und ich schäme mich dafür, dass ich es mit dir noch nicht getan habe.«
Nun sah sie ihm in die Augen. »Als ich glaubte, du seist zu einer Geliebten gegangen… habe ich gedacht, es sei Margaret.«
Bolingbroke errötete, zutiefst erschrocken und beschämt von ihrer Enthüllung. Mary hatte Margaret für seine Geliebte gehalten, und dennoch war sie Margaret in den letzten Monaten stets mit der größten Freundlichkeit begegnet.
Er hob ihre Hand an die Lippen und küsste sie sanft. »Dein Edelmut beschämt mich, Mary. Ich habe dich nicht verdient.«
»Manchmal habe ich Angst vor dir. Du bist so ritterlich und so fröhlich, aber manchmal glaube ich, einen dunklen Schatten in dir zu erkennen, der mir Furcht einflößt. Eine Wut, die du kaum im Zaum zu halten vermagst. Ich fürchte…«
»Du musst keine Angst vor mir haben, Mary!«, sagte Bolingbroke. »Niemals! Es stimmt, ich hege manch düstere Gedanken, aber sie haben nichts mit dir zu tun. Es tut mir furchtbar leid, dass du diesen Eindruck gewonnen hast.«
Sie lächelte zufrieden und sah ihm zum ersten Mal direkt in die Augen. »Ich habe geglaubt, du würdest dir nichts aus mir machen, Hal. Und mich nicht brauchen.«
Er blickte ihr tief in die Augen, beugte sich vor und küsste sie so sanft und zärtlich, wie er es vermochte.
Die Krankheit lag immer noch tief in ihr auf der Lauer; er konnte es in ihren Augen sehen und es an ihrem Mund schmecken. Ihr blieb höchstens noch ein Jahr, vielleicht sogar weniger, und das kam Bolingbroke gut zupass.
Ja, sie verdiente sein Mitgefühl und seine Fürsorge. Das war das Mindeste, das er für sie tun konnte. Ein Jahr lang würde er sich verstellen können.
Als er sich zurücklehnte, hoffte er, dass sie die Erleichterung in seinem Blick falsch verstehen würde.
»Als du mich und Margaret an jenem Tag zu Richard geschickt hast«, flüsterte sie und berührte leicht seine Wange, »habe ich hinterher geglaubt, du hättest uns bloß für deine Ziele benutzt. Ich bin froh, dass ich mich in dir geirrt habe.«
Bolingbroke schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. »Ich werde dich nie wieder in Gefahr bringen. Ach, Mary, ich bin ein schlechter Ehemann gewesen, im Schlafgemach ebenso wie auch sonst. Erlaubst du mir, das wiedergutzumachen?«
»Ich habe gehört, dass die Dinge, die Mann und Frau im Schlafgemach miteinander tun, sehr schön sein können«, flüsterte sie.
Er beugte sich vor und küsste sie zärtlich auf den Mund, bis er spürte, dass sie seinen Kuss erwiderte. Schließlich löste er sich von ihr. »Sollen wir es herausfinden?«, fragte er.
Kapitel Vier
Am Fest der Geburt unseres Herrn, Jesus Christus
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Sonntag, 25. Dezember 1379)
Das Weihnachtsfest in Kenilworth war mit großer Freude und Besinnlichkeit gefeiert worden; die Versöhnung zwischen Neville und Margaret und ebenso zwischen Bolingbroke und Mary wurde allenthalben mit Erleichterung aufgenommen. Die Welt außerhalb der Burgmauern mochte der Familie Lancaster feindlich gesonnen sein, doch in ihrem Inneren herrschten nur Zuneigung und
Weitere Kostenlose Bücher