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Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Titel: Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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die Armenviertel der Stadt, um Feldarbeit zu leisten. Sie fuhren nach Washington, um an Protestmärschen teilzunehmen, und Morrie spielte häufig den Busfahrer für seine Studenten. Bei einem
dieser Ausflüge beobachtete er leicht amüsiert, wie Frauen in fließenden Röcken und mit langen Glasketten Blumen in die Gewehre von Soldaten steckten, sich an den Händen faßten, auf den Rasen setzten und versuchten, das Pentagon durch geistige Kraft schweben zu lassen.
    »Sie haben es keinen Millimeter anheben können«, erinnerte er sich später, »aber es war ein gutgemeinter Versuch.«
    Einmal besetzte eine Gruppe schwarzer Studenten die Ford Hall auf dem Campus des Brandeis College, und dann hißten sie eine Flagge, auf der stand MALCOM X UNIVERSITY. In der Ford Hall befanden sich Chemielabors, und einige Verwaltungsbeamte machten sich Sorgen, daß diese Radikalen in den Kellern Bomben bastelten. Morrie wußte es besser. Er erkannte sehr klar den Kern des Problems: daß Menschen das Gefühl haben wollten, wichtig zu sein.
    Mehrere Wochen lang herrschte ein Patt, und dieser Zustand hätte sogar noch länger andauern können. Doch als Morrie einmal an dem Gebäude vorbeiging, erkannte ihn einer der Studenten und rief ihm zu, er solle durchs Fenster reinkommen.
    Eine Stunde später kletterte Morrie mit einer Liste der Dinge, die die Protestierenden erreichen wollten, wieder durch das Fenster hinaus. Er legte dem Präsidenten der Universität die Liste vor, und die Situation entspannte sich.
    Morrie schaffte es immer wieder, Frieden zu schließen.
    Am Brandeis College hielt er Kurse über Sozialpsychologie, Geisteskrankheit und Gesundheit und über Gruppenprozesse
ab. Sie spielten kaum eine Rolle für das, was man heute »Karrierefähigkeiten« nennt, waren aber sehr wichtig für die »persönliche Entwicklung« der Studenten.
    Und deshalb würden Jurastudenten oder Studenten der Betriebswirtschaft Morrie heute als unglaublich naiv betrachten. Wieviel Geld würden seine Studenten verdienen? Wie viele sensationelle Fälle würden sie gewinnen?
    Aber andererseits – wie viele Jurastudenten oder Studenten der Betriebswirtschaft besuchen, nachdem sie ihren Abschluß gemacht haben, jemals ihre alten Professoren? Morries Studenten taten das ständig. Und in seinen letzten Monaten kehrten sie zu ihm zurück, Hunderte von ihnen, aus Boston, NewYork, Kalifornien, London und der Schweiz; aus den Büros großer Unternehmen und Schulprogrammen für die armen Stadtviertel. Sie riefen an. Sie schrieben. Sie reisten Hunderte von Meilen, um ihn besuchen zu können, um ein paar Worte, ein Lächeln von ihm geschenkt zu bekommen.
    »Ich habe niemals wieder einen solchen Lehrer wie Sie gehabt«, sagten alle.
     
     
     
    In der Zeit meiner Besuche bei Morrie beginne ich, Bücher über den Tod zu lesen, wie verschiedene Kulturkreise die letzte Reise betrachten. Beispielsweise gibt es einen Stamm in der nordamerikanischen Arktis, der glaubt, daß alle Dinge auf der Erde eine Seele haben, die aussieht wie die Miniatur des Körpers, in dem sie enthalten ist – daß also ein Hirsch einen winzigen Hirsch in sich hat, und ein Mann einen winzigen Mann. Wenn das große Wesen stirbt, dann lebt jene winzige Gestalt weiter. Sie kann in etwas hineinschlüpfen, das gerade in der Nähe geboren wird, oder sie kann zu einem vorübergehenden Ruheplatz im Himmel aufsteigen, in den Bauch eines großen femininen Geistes, wo sie wartet, bis der Mond sie zur Erde zurückschickt.
    Manchmal, sagen sie, ist der Mond mit den Seelen der Welt so beschäftigt, daß er vom Himmel verschwindet. Deshalb gibt es mondlose Nächte. Aber am Ende kehrt der Mond immer zurück, so wie wir alle.
    Das ist es, was sie glauben.



Der siebte Dienstag
Wir reden über die Furcht vor dem Älterwerden
    Morrie verlor seinen Kampf. Mittlerweile wischte ihm jemand den Hintern ab.
    Er reagierte darauf mit der ihm eigenen positiven Einstellung. Nicht länger fähig, hinter sich zu greifen, wenn er den Nachtstuhl benutzte, informierte er Connie über sein jüngstes Handicap.
    »Wäre es dir sehr peinlich, es für mich zu machen?«
    Sie sagte, nein.
    Ich fand es typisch, daß er sie als erste fragte.
    Es dauerte eine Weile, sich daran zu gewöhnen, gab Morrie zu, weil es in gewisser Weise eine völlige Kapitulation vor der Krankheit bedeutete. Er konnte die persönlichsten und grundlegendsten Dinge nicht mehr tun – zur Toilette gehen, sich die Nase putzen, sich die intimsten Körperteile

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