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Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Titel: Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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aber er tat es nur selten. Er deckte sie abends auch nicht zu und gab ihnen auch keinen Gutenachtkuß.
    Morrie schwor sich immer wieder, daß er diese Dinge für seine eigenen Kinder tun würde, wenn er jemals welche hätte. Und Jahre später, als er tatsächlich Kinder hatte, tat er es.
    Während Morrie seine eigenen Kinder großzog, wohnte Charlie noch immer in der Bronx. Er hatte noch immer die Gewohnheit, abends seinen Spaziergang zu machen. Er las noch immer die Zeitung. Eines Abends ging er nach dem
Abendessen wieder hinaus. Ein paar Straßen von seiner Wohnung entfernt stellten sich ihm zwei Straßenräuber in den Weg.
    »Rück dein Geld raus«, sagte einer und zog einen Revolver.
    Entsetzt warf Charlie seine Brieftasche auf den Boden und begann zu rennen. Er rannte durch die Straßen und rannte immer weiter, bis er die Stufen des Hauses eines Verwandten erreichte, wo er auf der Veranda zusammenbrach.
    Herzanfall.
    Er starb in jener Nacht.
    Morrie wurde gerufen, um die Leiche zu identifizieren. Er flog nach NewYork und ging zum Leichenschauhaus. Man brachte ihn in den Keller, in den kalten Raum, wo die Leichen aufbewahrt wurden.
    »Ist dies Ihr Vater?« fragte der Begleiter.
    Morrie betrachtete die Leiche hinter der Glasscheibe, den Körper des Mannes, der ihn ausgescholten und geprägt hatte, der ihn gelehrt hatte zu arbeiten, der still gewesen war, wenn Morrie wollte, daß er sprach, der Morrie gesagt hatte, er solle die Erinnerungen an seine Mutter für sich behalten, als er sie mit der ganzen Welt teilen wollte.
    Er nickte und ging davon. Die schreckliche Atmosphäre in diesem Raum, so erzählte er später, hatte alle seine Gefühle betäubt. Er weinte erst Tage später.
    Dennoch half der Tod seines Vaters Morrie, sich auf seinen eigenen Tod vorzubereiten. Soviel jedenfalls wußte er: Es
würde eine Menge Umarmungen und Küsse und Reden und Lachen geben, und kein »Auf Wiedersehen« würde ungesagt bleiben. Er wollte all die Dinge tun, die er bei seinem Vater und seiner Mutter vermißt hatte.
    Wenn der letzte Augenblick kam, wollte Morrie seine Lieben um sich herum haben, und alle sollten wissen, was geschah. Niemand würde einen Anruf bekommen oder ein Telegramm oder in einem kalten und fremden Keller durch eine Glasscheibe schauen müssen.
     
     
     
    Im südamerikanischen Regenwald lebt ein Indianerstamm, der sich Desana nennt. Die Stammesmitglieder meinen, die Welt bestehe aus einer festen Menge an Energie, die zwischen allen Geschöpfen hin-und herfließt. Jede Geburt muß deshalb einen Tod nach sich ziehen, und jeder Tod bringt eine weitere Geburt hervor.Auf diese Weise bleibt die Energie der Welt vollständig erhalten.
    Wenn sie Tiere jagen, dann wissen die Desana, daß die Tiere, die sie töten, ein Loch in der spirituellen Welt hinterlassen werden. Aber das Loch wird, so glauben sie, von den Seelen der Desana-Jäger gefüllt werden, wenn sie sterben. Gäbe es keine Menschen, die sterben, dann gäbe es keine Vögel oder Fische, die geboren werden. Mir gefällt diese Idee. Morrie gefällt sie auch. Je mehr er sich dem Abschied nähert, desto mehr scheint er zu fühlen, daß wir alle Geschöpfe in demselben großen Wald sind. Was wir nehmen, müssen wir wieder auffüllen.
    »Es ist nur fair«, sagt er.



Der zehnte Dienstag
Wir reden über die Ehe
    Ich brachte eine Besucherin mit, die Morrie kennenlernen sollte. Meine Frau.
    Er hatte mich seit dem ersten Tag, an dem ich ihn besuchte, immer wieder gefragt: »Wann lerne ich Janine kennen?« »Wann bringst du sie mit?« Ich hatte bisher immer Ausreden gefunden. Bis zu diesem Tag, als ich bei ihm anrief, um zu erfahren, wie es ihm ging.
    Es dauerte eine Weile, bis Morrie am anderen Ende der Leitung war. Und als es soweit war, konnte ich hören, wie jemand mit dem Hörer hantierte und ihn an sein Ohr hielt. Morrie war nicht mehr in der Lage, einen Telefonhörer zu heben.
    »Hiii«, sagte er keuchend.
    »Geht’s dir soweit gut, Coach?«
    Ich hörte, wie er ausatmete. »Mitch … deinem Coach … geht’s heute nicht so besonders …«
    Er brauchte jetzt fast jede Nacht Sauerstoff, und seine Hustenanfälle waren mittlerweile beängstigend. Ein Hustenanfall konnte eine Stunde dauern, und er wußte niemals, ob er
überhaupt enden würde. Er hatte immer wieder gesagt, er würde sterben, wenn die Krankheit seine Lunge erreichte. Ich erschauderte, als ich daran dachte, wie nahe der Tod war.
    »Ich sehe dich dann am Dienstag«, sagte ich. »Dann wird’s

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