Dienstags ist sie nie da - Roman
rotblondes Haar. Sie waren das Einzige an ihm, das lebendig wirkte. Seine Haut war grau, sein Hemd und sein Jackett waren verknittert und seine Hosen ausgebeult.
Im Gegensatz dazu wirkte Matthew in seinem einreihigen dunkelblauen Anzug mit strahlend weißem Hemd und Golfclub-Krawatte scharf wie eine Rasierklinge.
Als Ben das Zimmer betrat, legte er sofort seinen Arm schützend um Katys Schultern.
Sie hatte die Sauerstoffmaske, die sich als überaus effizientes Schutzschild gegenüber der Realität erwiesen hatte, mit der sie konfrontiert war, noch immer nicht losgelassen.
»Na, schau mal einer an, was die Katze da hereingeschleppt hat«, sagte Matthew. »Wirkt und riecht, als wärst du die ganze Nacht auf Sauftour gewesen. Nun, du kannst ruhig zu deinen Kumpels zurückgehen und dich bis zur Bewusstlosigkeit volllaufen lassen – wir haben hier nämlich alles im Griff, nicht wahr, Katy?«
Katy war wie gelähmt und wusste nicht, was tun, schließlich lag sie umgeben von potentiellen Vätern in den Wehen. Sie fand, dass Ben erschöpft wirkte, und sie fragte sich, warum er überhaupt hier war.
»Wie du siehst, werde ich mich jetzt um sie kümmern, da mir klar ist, dass du dieser Aufgabe ganz offensichtlich nicht gewachsen bist. Frag mich nicht, wie wir das machen werden. Das geht nur Katy und mich etwas an, aber du musst dich nicht verantwortlich fühlen. Dir steht es frei, zu gehen und ein Leben zu führen, wie es dir gefällt«, sagte Matthew. Er sah zu Katy hinunter und massierte ihr die Schultern, ehe er sich wieder Ben zuwandte.
»Jetzt, da Katy ganz knapp vor der Geburt steht, schlage ich vor, dass du verschwindest und sie die Entbindung in Ruhe zu Ende bringen lässt«, sagte er bestimmt.
Ben rührte sich nicht von der Stelle. Bislang hatte er Matthew noch nicht einmal angesehen, sondern nur Augen für Katy gehabt. Er hatte in ihrem Gesicht nach Hinweisen gesucht, nach irgendeiner Form von Ermutigung, aber er konnte nicht entschlüsseln, was hinter ihrer Sauerstoffmaske vor sich ging. Schließlich holte er tief Luft, griff in seine Hosentasche und zog sehr bedachtsam etwas heraus.
Es war eine schwarze, ziemlich weiche Banane.
Er hielt sie Katy zögernd hin, ohne seinen Platz im Türrahmen zu verlassen.
»Die habe ich dir besorgt. Willst du sie? Im Kurs haben sie gesagt, sie könnte dir vielleicht helfen«, sagte er.
Matthew sah verwirrt auf die Banane.
Katy starrte sie an und blinzelte heftig, bevor sie schließlich die Maske von ihrem Gesicht herunterzog.
» Eine Banane «, sagte Matthew. »Eine verdammte Banane. Das meinst du doch nicht etwa im Ernst, oder? Du bringst ihr eine Banane mit? Jetzt? Sie braucht im Moment Liebe und Stabilität und Sicherheit, nicht eine verdammte Banane. Heiliger Himmel, du bist wirklich ein absoluter Schwachkopf. Eine verdammte Banane. Es ist einfach unfassbar!«
Katy öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, wurde aber von der nächsten Wehe jäh unterbrochen.
»Da siehst du, was du angerichtet hast!«, fauchte Matthew und funkelte Ben an.
»Lockerlassen Katy, ganz lockerlassen. In dem Buch steht, dass du bloß durch die Wehe hindurchatmen musst.«
»Steht das in dem Buch?«, sagte Ben und trat näher ans Bett heran. »Es interessiert sie nicht, was der Wichser da schreibt. Na komm, Katy, schrei es dir raus. Stoß einen Schrei aus.«
»Nein, Katy. Hör nicht auf ihn. Schreie sind vergeudete Energie. Atme einfach durch die Wehe hindurch. Schau, du musst diesem Diagramm hier folgen«, sagte Matthew, wobei er ihr das Buch unter die Nase hielt und hektisch auf die Seite deutete.
Katy ließ ihren bislang lautesten Schrei los.
Ben war fassungslos. Geschockt, dass Katy ein solches Getöse von sich geben konnte.
Matthew blätterte rasend schnell durch sein Buch und suchte verzweifelt nach irgendwelchen Anregungen.
Zum zweiten Mal an diesem Morgen schoss Katys Hand nach vorn und schlug ihm das Buch mit solcher Wucht aus der Hand, dass es quer durchs Zimmer flog. Mit übermenschlichem Einsatz und mitten in einer heftigen Wehe hob sie die freie Hand, die nicht verzweifelt die Sauerstoffmaske umklammerte, und nahm langsam und bedächtig die Banane aus Bens Hand.
Matthews Blicke schossen völlig entgeistert zwischen Ben und Katy hin und her.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein, Katy? Komm, denk noch einmal darüber nach. Du kannst dich bei ihm auf gar nichts verlassen. Morgen, wenn er seine Verantwortung begreift, ist er auf und davon – und was dann? Komm, Katy. Du
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