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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Johannes.«
    »Aber warum saß er denn so da? – Ich will ja nicht sagen, dass du mich täuschst, Thomas, aber ich fühle doch, drinnen fühle ich es: es war Johannes!«
    »Mutter, lass doch einmal die Vernunft in dir sprechen! Überlege du doch einmal ganz ruhig, wie oft du Vorahnungen gehabt hast, dass du Johannes sehen würdest! Denke doch an die schreckliche Woche damals in Hamburg – bei jedem Dampfer hast du gedacht, er käme, und er ist nie gekommen!«
    »Aber warum saß er so seltsam da, Thomas? Sicher hat er mich erkannt!«
    »Aber Mutter. Ich kann dir auch erklären, warum er so dasaß. Zufällig habe ich, als du zu mir sprachst, grade diesBoot im Auge gehabt. Es war ja ein auffallend hübsches Mädchen ...«
    »Ja, sie sah gut aus. Ich sah sie einen Augenblick an, als sie neben Hannes stand.«
    »Es war nicht Johannes! Der junge Arbeiter hatte beim Starren auf unsere Terrasse ganz das Rudern vergessen, und als er sich zu seinem Mädchen vorbeugte, ihr etwas zu sagen, stieß er sich am Ruder ... Er hat sich wohl sehr heftig gestoßen, vermutlich am Auge, denn er fuhr gleich mit den Händen zum Gesicht.«
    »Es klingt alles so vernünftig, was du sagst, Thomas. Und doch habe ich ein Gefühl ...«
    »Mutter, du, die besonnene, verständige, kühle Geschäftsfrau! Jede Überlegung muss dir sagen, er war es nicht! Er kann es gar nicht gewesen sein, er wäre doch nie so an uns vorübergefahren.«
    »Vielleicht doch, Thomas, ich fürchte, ich bin ein wenig zu viel die besonnene und kühle Geschäftsfrau gewesen. Er hat die Mutter zu wenig zu fühlen bekommen – sonst könnte er nicht immer noch fern von mir sein.«
    »Du bist immer gut zu ihm gewesen. Du hast ihm viel mehr Wärme entgegengebracht als mir!«
    »Beklagst du dich, Thomas? Du hast nie etwas anders von mir verlangt, als was ich dir zu geben hatte: Sympathie und Anerkennung deiner Tüchtigkeit.«
    »Ich beklage mich doch nicht, Mutter. Wir sind zwei ausgezeichnete Freunde, die Vaters Werk fortführen. Ich sagte nur, dass er sich nicht zu beklagen hat!«
    »Ich weiß nicht ...«
    »Er war immer schwach und weich. Verzärtelung hätte ihn nur noch weicher gemacht.«
    »Liebe ist nicht Verzärtelung, Thomas! – Ach, wenn ichdenke, dass ihm dieses schöne Mädchen vielleicht jene Liebe gibt, die ich ihn nie habe merken lassen.«
    »Aber er war es nicht, Mutter!«, sagte er fast ungeduldig über ihre ungewohnte Hartnäckigkeit.
    »Gut, er war es nicht. Aber in meiner Nähe ist er gewesen, das habe ich deutlich gespürt.«
    »Mutter!«
    Aber er besann sich. Die Selbstbeherrschung, die er sich im Umgang mit der Mutter stets zur Pflicht gemacht hatte, half ihm noch einmal.
    »Gut, Mutter. Ich sehe, wir müssen etwas tun, dich gründlicher zu beruhigen. Ich bin der Ansicht, er ist noch immer drüben, in den Staaten. Du meinst, er ist hier, in deiner Nähe ...«
    »Ich habe es doch gefühlt, Thomas! Sei nicht so kalt zu mir.«
    »Ich bin nicht kalt, ich lasse nur die Vernunft sprechen.«
    »Ja, die Vernunft! Wir haben die Vernunft so lange sprechen lassen, bis er uns aus dem Hause gelaufen war.«
    »Mutter, jetzt bist du aber ungerecht. Du warst damals selbst der Ansicht, dass ihm ein paar Lehr- und Wanderjahre ganz guttun würden. – Aber davon reden wir jetzt nicht. Du denkst, er ist hier irgendwo, also in Berlin oder in seiner näheren Umgebung. Ich werde morgen alles sofort in Gang setzen, dass überall nach ihm recherchiert wird, auf allen Meldeämtern, in den einzelnen Gemeinden. Du sollst bald Gewissheit haben!«
    »Ich danke dir, Thomas. Ja, du hast recht, man soll nicht den Kopf verlieren. Und du wirst alles beschleunigen?«
    »Natürlich, Mutter, so schnell wie möglich.«
    »Und wenn ich dann erfahren werde, dass er nicht hier ist?«
    »Ja, Mutter ...«
    »Und mein Gefühl sagt doch, er war mir eben nah ...«
    »So wird dich dein Verstand davon überzeugen, dass das Gefühl dich getäuscht hat, Mutter!«
    Eine lange Pause entstand.
    Thomas Wiebe lehnte sich zurück, glücklich, endlich diese Beruhigung gefunden zu haben.
    Plötzlich sagte die Stimme seiner Mutter neben ihm: »Manchmal frage ich mich, ob du überhaupt ein Herz hast, Thomas.«
Angst
    Ein Uferweg an der Havel. Zwischen dem Schilfstreifen und dem nahe herantretenden Wald gehen die beiden, dicht nebeneinander. Sie halten sich an den Händen.
    Er fährt in seinem Bericht fort: »... und das verstehst du doch, die beiden waren immer ihrer Sache so sicher und so erfolgreich, und ich

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