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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ganz dunkel geworden. Auf dem Wege zum Bahnhof eilen viele schattenhafte Gestalten dahin, laut und leise, unter ihnen auch Hanne Lark und Johannes Wiebe.
    Sie gehen, ineinander eingehängt, ohne Hast dahin. Er spricht sehr leise.
    »Aber als ich meinen Bruder so reden hörte, da warf ich ihm den Schlüssel hin und mit dem Schlüssel alles, auf das ich noch gehofft hatte in meiner Zerbrochenheit: Mutter und Heimat, Auskommen und Friede. Es ging nicht! So ging es nicht, so zu leben war sogar mir unmöglich.«
    »Unmöglich ...«
    »Ich weiß heute, es ist wiederum die Angst gewesen, die Angst davor, bei der Mutter gegen den Bruder kämpfen zu müssen, der wirklich schlecht ist, Hanne, du kannst es mir glauben.«
    »Ich habe sein Gesicht gesehen, Hannes, wie er mich angesehen hat – pfui!«
    »Und es ist auch die Angst gewesen, dass ich doch, nach allem, was ich nun gehört hatte, wieder nachgeben könnte –unterkriechen in Schimpf und Schmach, bloß um des guten Lebens willen. Und so bin ich wieder fortgelaufen von ihnen – ein zweites, das endgültige Mal.«
    »Aus Angst ...«
    »Mit Angst!«
    »Es war einmal, Hannes! Es war einmal ...«
    In dem Vorortzug sitzen die beiden. Draußen das Land, durch das der Zug eilt, ist völlig dunkel. Nur manchmal leuchten die Lichter der Signallampen auf.
    Die Leute in dem Abteil sitzen schläfrig oder schlafend da, nur die beiden sind hellwach. Sie sitzen nahe beieinander. Er hat den Kopf auf ihre Schulter gelegt und flüstert leise.
    »Und so oft ich zu dir reden wollte, ich konnte es nicht. Und wiederum war es die Angst. Ich fürchtete, du könntest verlangen, dass ich mich mit Mutter und Bruder wieder aussöhnte, und da konnte ich dir doch nicht zu Willen sein! Und ich fürchtete, du würdest denken, dass du es wärest, die zwischen mir und der Mutter stünde, und würdest es wie eine Schuld tragen – und meine Schwäche allein hat doch die Schuld.«
    »Deine Schwäche allein ...«
    Durch die schon nachtleeren Straßen Berlins gehen die beiden ihrer Wohnung zu. Passanten eilen an ihnen vorüber, Autos gleiten vorbei, hell erleuchtet sind die Scheiben der Lokale.
    Sie sehen nicht. Sie hören nichts. Sie sind allein miteinander in diesem Meer der Großstadt. Sie kennen nur einander.
    »Und wie ich da Mutters Gesicht sah, so alt geworden, so verfallen, da packte mich die Angst, dass ich aus Mitleid mitihr zurückgehen könnte, dich verlassen, weil sie doch die Schwächere von euch beiden ist ... Wie ich sie rufen hörte, mit der alten Stimme, und es war doch die alte Stimme nicht mehr, so brüchig geworden, so voll Schmerz ... da riss es mich an allen Gliedern, als möchte ich hoch und zu ihr ... von dir fort! Denn, du verstehst doch, dass ich dann nicht wieder zu dir zurückgekonnt hätte, es gab nur eine Wahl.«
    »Ja –?«
    »Und da wurde mir so angst, denn du bist doch mein alles. Und ich empfand es so schmählich, dass die Mutter rief, nach langer Zeit wieder rief, und ich blieb sitzen, denn ich konnte dich doch nicht verlieren.«
    »Aus Angst bliebst du bei mir ...«
    »Mit Angst!«
    »Auch das war einmal, Hannes. Es war einmal ...«
Liebe
    In dem Zimmer der beiden brennt kein Licht, nur eine milde Helligkeit dringt durch die beiden Fenster, deren Vorhänge nicht zugezogen sind. Aus der sanften Dunkelheit dringt Hannes Stimme: »Eines Tages wirst du verstehen, Hannes, dass du wohl viel Angst gehabt hast. Aber es war nicht die Angst des Feigen, es war die Angst eines Menschen, der sich nicht verlieren wollte. Du hast alles, auch das Schwerste, immer auf dich genommen, um zu dir selbst zu kommen. Und du wirst zu dir selbst kommen!«
    »Ich bin zu dir gekommen, Hanne!«
    »Aber ich bin du, Hannes, ich bin das Herz, das dir gehört. Hast du nicht einmal so gesagt? Und wenn du es überlegst, so ist es doch fast so, als wärest du ganz ähnliche Wegegegangen wie wir alle, wie dein Volk, das in tausend Ängsten und vieler Schmach immer wieder nur zu sich selbst wollte, sich nicht aufgeben konnte ...«
    Einen Augenblick ist es still.
    Dann sagt Hanne: »Und an diesem Tag wirst du begreifen, dass es sinnlos ist, vor überhaupt etwas im Leben Angst zu haben. Angst haben, das ist sterben. Du aber lebst, und alle draußen leben, und die Zeiten der Angst sind vorbei. Man kann nur einmal sterben – aber man kann eine Ewigkeit in der Schmach leben. In der Schmach ist der Tag eine Ewigkeit. Du bist ja frei, Hannes! Wovor fürchtest du dich denn? Ich bin bei dir – ich bin so bei dir,

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