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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Alles, alles müsste geschehen! – Man kann ihn doch nicht einfach so liegen lassen!‹
    Und sie denkt an eine reiche Frau, seine Mutter.
    Aber sofort schüttelt sie den Kopf. Er gehört ihr. Das, was er heute ist, hat sie aus ihm gemacht. Sie teilt ihn mit keinem, auch nicht mit seiner Mutter! Er hätte es auch nicht gewollt.
    Sie kann nicht immer in dieses gelbliche Gesicht starren, das sich nicht verändert, kein Leben gewinnt. Sie streift die Schuhe von den Füßen und beginnt lautlos im Zimmer auf und ab zu gehen.
    Von Zeit zu Zeit bleibt sie stehen und starrt in sein Gesicht.
    Kein Leben! Mit einem verzweifelten Achselzucken, das all die völlige Ohnmacht ihrer äußersten Hilfsbereitschaft zum Ausdruck bringt, nimmt sie ihre Wanderung wieder auf ...
    Im Krankenhaus ist es jetzt ganz still geworden. Zuerst war noch Laufen auf den Gängen, Klappern von Geschirr, das Schlagen einer Tür ... Jetzt ist es so still geworden, dass sie die Uhr draußen auf dem Gang ticken hört, unermüdlich. Mit ihrem scharfen Ticken zerteilt sie die Zeit, Lebenszeit, so karg bemessene Lebens- und Glückszeit, sie tickt sie nutzlos weg ...
    Ach! wenn es denn sein muss, soll er doch krank sein, aber so, dass sie mit ihm sprechen kann! Sie hat ihm nie richtig gesagt, wie sehr sie ihn liebt, wie viel er ihr gegeben hat, dass seit ihm ihr ganzes früheres Leben wie ein inhaltloser, wirrer Traum geworden ist. Erst er hat jedem ihrer Tage einen Sinn gegeben! Und jeden Tag Freude! Und jeden Tag Glück!
    Sie kann nicht mit ihm reden, aber jetzt fängt er an zu reden!
    Mit einem Ruck bleibt sie an seinem Bett stehen und sieht auf sein Gesicht hinunter. Es hat sich gerötet – das Fieber steigt!
    »Das Fieber steigt!«, flüstert sie hilflos vor sich hin.
    Er ist wohl zu matt, den Körper zu rühren, aber er fängt an, den Kopf zu bewegen. Ruhelos dreht sich der Kopf auf dem Kissen, die Lippen rühren sich, es ist, als wollten sie sprechen ...
    »Ja, Liebster?«, fragt sie und beugt sich zu ihm. »Was ist? – Kann ich etwas für dich tun? – Ich bin es, Hanne ...«
    Nichts.
    Weiter diese unheilvolle, ruhelose Bewegung des Kopfes,als wolle er etwas fortschieben mit ihm, aber keine Antwort. Weiter dieses unverständliche Flüstern – aber nicht zu ihr gesprochen.
    »Hannes!«, sagt sie mit aller Kraft ihrer Liebe. Aber er hört sie nicht.
Die beiden Unseligen
    Mit dem Ruf »Gott, vergib mir meine Sünden!« ist Frau Mahling in die Stadt gelaufen, sinnlos vor Schrecken, ohne Weg, ohne Überlegen.
    Sie läuft immer weiter, ziellos, stößt gegen Leute an, entgeht knapp einem Auto, bleibt stehen, kehrt ohne Grund um und flüstert dabei immer vor sich hin: »Gott, vergib mir meine Sünden!«
    In ihr ist noch nichts als das schreckliche Krachen, mit dem die herabstürzende Kiste auf das Pflaster schlug, und nicht nur auf das Pflaster!
    Sie schüttelt wieder den Kopf, macht wieder kehrt und flüstert lauter: »Gott, vergib mir meine Sünden!«
    Wieder läuft sie. Sie läuft durch die strahlenden Straßen der Stadt, lachende Menschen gehen in Lokale, lachende Menschen drängen sich vor den Toren des Kinos – sie huscht zwischen ihnen durch, grau, gehetzt, ohne Rast – das böse Gewissen, das ohne Ruhe ist ...
    Die böse Tat sitzt unterdes in der kleinen Stampe. Emil Schaken hat seine Molle vor sich stehen, den Zigarrenstummel im Maul. Er sitzt da, wie immer, er sitzt an demselben Tisch, an dem er in jener ersten Nacht Johannes Wiebe kennenlernte, er sitzt wieder allein da.
    Um ihn, in ihm hat sich nichts geändert, wird sich nieetwas ändern – er ist nicht entwicklungsfähig. Nie im Leben hat er etwas zugelernt, wird er etwas zulernen.
    Ein ehemaliger Kollege kommt – ein wenig angetrunken – an seinem Tisch vorbei, und weil er eben angetrunken ist, bleibt er sogar bei Emil Schaken stehen.
    »Na, Emil?«, fragt er. »Wat machste? Arbeitste jetzt wieda in de Halle?«
    Emil schaut hoch mit seinem starren Gesicht. »Nee, Franz«, antwortet er, »ick jeh jetzt uffen Bau. Steine tragen.«
    »Is ooch janz schön«, sagt Franz. »Aber mir war, als hätt ick dir in de Halle jesehen.«
    »Möglich«, gibt Emil Schaken zu. »Der eene sieht eben wat, der andere sieht jar nischt.«
    »Haste schon jehört, da is heute ’n Unfall jewesen in de Halle?«
    »Da kommen wohl mehr Unfälle vor wie bloß heute.«
    »Det kann man eijentlich nich saren, ville passiert da nich! Heute aber is eenem ’ne Kiste von dem Umjang uffen Leib jefallen.«
    »Na!«, sagt

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