Dies Herz, das dir gehoert
...«
»Oskar!«, flüstert sie mit weißen Lippen und empfindet es zum ersten Male in ihrem Leben als Wohltat, einen Menschenzu haben, der sich um sie kümmern kann. »Bring mich ins Bett. Mir ist sehr schlecht. Es ist ein Unglück geschehen ...«
»Was denn für ein Unglück?«
»Frag nicht, Oskar! Frag gar nichts. Bring mich bloß ins Bett. Ich glaube, ich bin hin, Oskar ...«
Entschluss
Immer unruhiger ist der Kranke geworden, immer lauter sein unverständliches, abgerissenes Sprechen. Grade will Hanne die Nachtschwester rufen, da tritt sie ein, mit einem Arzt.
Es ist wieder ein anderer Arzt, nicht der, mit dem Hanne Lark am Abend sprach. Dies ist ein großer, fetter Mann mit einem bleichen, starken Gesicht, durchdringend blickenden Augen unter buschigen Brauen.
»Das ist also der Unfall«, sagt er zur Schwester, und die Schwester nickt und flüstert eine ganze Weile mit dem Arzt.
Fast rasend vor Ungeduld blickt Hanne auf die beiden. Da kommt also nun endlich ein Arzt, und er muss es doch nun sehen und hören, wie schlecht es dem Hannes geht. Aber statt sofort ans Bett zu gehen und zu helfen, stehen die beiden da unter der Tür und flüstern. Womöglich darüber, dass sie bloß seine Freundin ist. Hanne bildet sich ein, die Schwester sei darum so kurz zu ihr gewesen, weil sie nicht seine Frau oder Braut ist.
»Ach, Herr Doktor!«, sagt sie flehend.
»Einen Augenblick«, antwortet der Arzt und flüstert weiter.
Aber es dauert wirklich nur einen Augenblick, da ist er am Bett.
»Nehmen Sie mal seine Temperatur, Schwester«, sagt er.
Und zu Hanne: »Wie lange ist er schon so?«
»Vielleicht eine Stunde, aber zu Anfang war es nur wenig ...«
Der Arzt nickt. »Verstehen Sie, was er spricht?«
»Nein«, sagt Hanne. »Ach, Herr Doktor, ich will ja gerne alles tun ...«
»Einen Augenblick!«, sagt der Arzt wieder. »Hat er verstanden, was Sie zu ihm gesagt haben?«
Hanne wird glühend rot, denn sie erinnert sich des Verbotes.
Nun sagt auch die Schwester: »Herr Doktor Rieck hat der Dame verboten, mit dem Patienten zu sprechen.«
Der Arzt lächelt, und Hanne, die dieses Lächeln sieht, fühlt plötzlich Vertrauen zu diesem Arzt.
»Und Sie haben natürlich doch zu ihm gesprochen«, sagt er lächelnd. »Sie wären ja kein Mensch, wenn Sie geschwiegen hätten. Nun, hat er Sie verstanden?«
»Nein, Herr Doktor, nichts. Kein Wort. Ich ...«
Der Arzt nickt, dann sieht er die Schwester an. Die Schwester, die das Thermometer abgenommen hat, spricht ihm lautlos ein Wort, eine Zahl, zu. Angstvoll folgt Hanne jeder Bewegung der beiden.
»Es ist gut, Schwester«, sagt der Arzt. »Ich will Sie nicht aufhalten. Ich bleibe noch ein Weilchen hier.«
Und er lässt sich schwerfällig in einen aufseufzenden Korbsessel nieder, während die Schwester mit sachtester Hand die Tür schließt.
»Herr Doktor«, sagt Hanne Lark flehend, kaum dass die Schwester gegangen ist. »Kann man denn gar nichts für ihn tun? Ich will alles bezahlen, ich will arbeiten – wir haben auch Geld zu Haus! Aber man kann ihn doch nicht einfachso liegen lassen! Er stirbt ja, Herr Doktor, bitte, tun Sie etwas, nur sterben darf er nicht! Bitte – Herr Doktor!«
»Ruhig, ruhig!«, sagt der Arzt streng. »Setzen Sie sich dorthin! Das ist nicht gut, wenn Sie sich so aufregen! Nicht für ihn und nicht für Sie ...«
»Ich will ja ruhig sein«, sagt sie und wischt mit einem Tuch über die Augen. »Ich will mich auch hinsetzen. Aber tun Sie etwas für ihn, Herr Doktor, ich flehe Sie an!«
»Ja, glauben Sie denn, Sie unverständiges Kind, ich soll ihm jetzt eine Pille eingeben, und davon wird er wieder gesund? Man muss Geduld haben. Jetzt kann man gar nichts tun, nur ihm Ruhe geben. Er hat wohl innerliche Verletzungen, das wird man morgen sehen. Nicht wahr, eine Kiste ist auf ihn gefallen?«
Sie schließt die Augen.
»Sie sollte auf mich fallen«, flüstert sie.
»Es war also kein Unglücksfall, es war ein Racheakt?«
Wieder nickt sie.
»Sehen Sie, da tun wir schon etwas. Ich habe der Polizei, die ihn durchaus vernehmen wollte, gesagt, dass er für die nächsten sechs, acht Tage nicht vernehmungsfähig ist. Das ist doch schon etwas, nicht wahr, Fräulein?«
»Ja ...«
»Und wir lassen Sie bei ihm. Das ist gegen alle Regel. Wie lange kennen Sie sich schon?«
»Über ein Jahr, Herr Doktor.«
»Und er hat keine Verwandtschaft?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Sehen Sie, Fräulein«, sagt der Arzt. »Sie müssten es uns sagen, wenn er nahe
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