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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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erste Stimme, die zu ihm spricht. Es soll also nicht sein. Sie werden mich hier nicht dulden, sie wird er zuerst sehen – und vielleicht zuletzt.«
    Sie sah ihn lange an.
    »Sie wissen wohl«, sagte der Arzt leise, »dass das Recht Recht bleibt, auch wenn es schwer ist.«
    Sie hörte ihn nicht.
    Sie sah in das geliebte Gesicht.
    Dann ging sie ohne Umsehen hinaus auf den Flur, leise schloss sie die Tür hinter sich. Einen Augenblick sah sie ohne Verständnis den Gang auf und ab, dann auf die Uhr, die fast halb zwölf zeigte. Dann entdeckte sie die Nachtschwester, die in einer Tür stand und sie schweigend ansah.
    »Wo kann ich hier telefonieren?«, fragte sie flüsternd.
    Die Schwester zeigte es ihr.
    Sie ging zu der Zelle. Lange suchte sie in dem Telefonbuch, es wurde ihr schwer, mit den von Tränen flimmernden Augen die richtige Nummer zu finden.
    Schließlich hob sie den Hörer ab und wählte.
Reue
    Von dem Klingeln war sie aus dem Traum geschreckt, aus Schrecken in Schrecken ...
    Eine lange Weile saß sie atemlos im Bett und lauschte dem sich entfernenden Klingeln nach.
    »Es ist nur die Feuerwehr ...« sagte sie zu sich. »Es ist nichts ...«
    Dann tastete sie mit ihrer Hand nach dem Knopf der kleinen Lampe, sie schaltete, und ein schwacher, rötlicher Lichtschein ließ die vertrauten Gegenstände in ihrem Zimmer deutlich werden.
    »Es ist nichts«, sagte sie wieder halblaut und wandte sich nach der andern Seite.
    Oskar lag auf dem Rücken und schlief fest, mit halboffenem Munde. Sie sah ihn lange an; in dieses Gesicht, mit dem sie über zwanzig Jahre gelebt hatte, sah sie, aber es war wie ein unbekanntes Gesicht. Sie kannte ihn nicht. Sie hatten zusammen gelebt und gearbeitet, aber sie wusste nicht, wie er aufnehmen würde, was sie tun musste.
    Sie berührte ihn sanft an der Schulter. »Oskar!«, sagte sie. »Wach auf! Oskar!«
    Er drehte sich unwillig auf die Seite. »Ist es denn schon wieder Zeit? Ich bin ja grade erst eingeschlafen!«
    »Oskar!«, sagte sie. »Du musst aufstehen!«
    Er gähnte, richtete sich halb auf, schaltete auch seineNachttischlampe ein, warf einen Blick auf die Uhr, stutzte, schüttelte den Kopf, hielt sie ans Ohr und sagte empört: »Was ist denn los? Es ist doch erst halb zwölf!«
    »Ja«, sagte sie. »Wir müssen aufstehen. Ich kann nicht mehr schlafen. Es drückt mir das Herz ab, Oskar! Ich muss zur Polizei.«
    »Guste«, rief er erschreckt. »Was ist das mit dir? Bist du wieder krank? Was willst du auf der Polizei? Wir haben nie mit der Polizei zu tun gehabt.«
    »Ich habe einem Mörder geholfen«, sagte sie und fing leise an zu weinen, da sie endlich sprechen konnte. »Ich habe ihm noch Geld gegeben. Ich muss zur Polizei ... Ich halte es nicht aus, ich kann nicht schlafen, es drückt mir das Herz ab ...«
    »Guste!«, sagte er und legte seine Hand fest auf ihre Schulter. »Guste, du träumst ja noch! Wach auf, ich bin das, Oskar. Du bist bei uns, Guste ...«
    »Es war Emil Schaken!«, weinte sie. »Er hat heute Abend oben in der Halle eine Kiste auf den Freund von Hanne geworfen. Sie schrie so schrecklich ... Eben habe ich sie wieder schreien hören ... Und dann klingelte das Auto vom Unfall ...«
    »Das ist wirklich wahr, Guste, das mit Emil und Hannes Freund?«
    Sie nickte. »Ich muss zur Polizei – ich muss es angeben. So kann ich nicht leben.«
    »Aber es geht dich doch nichts an, Guste! Du hast doch nichts damit zu tun!«
    »Doch, ich war so neidisch auf sie, und er, der Emil, sagte mir, er wolle ihr ein bisschen eins auswischen. Er wollte Geld von mir ...«
    »Und du hast ihm Geld gegeben?«
    »Da noch nicht! Ich habe ihm auch gesagt, er soll nichts tun, sonst übergebe ich ihn selbst der Polizei ...«
    »Siehst du, Guste!«
    »Aber ich habe doch gewusst, dass er es trotzdem tun würde. Ich wusste nur nicht, was. Ich habe den jungen Mann gewarnt, Hannes Freund, verstehst du, und dann habe ich auch mit ihr gesprochen. Aber da wurde ich wieder so neidisch und böse auf sie ...«
    »Aber warum denn, Guste?«
    »Weil sie doch so glücklich ist und so viel verkauft!«
    »Aber doch nicht darum, Guste! Was ist denn das? Einmal verkauft der eine mehr, einmal der andere. Darum tut man doch nicht so was!«
    »Ich weiß doch nicht, Oskar, was mit mir ist. Ich habe immer geglaubt, ich bin gerecht, aber seit die Hanne von uns fort ist, weiß ich gar nichts mehr. Ich glaube, ich habe ein schlechtes Herz, Oskar.«
    »Du bist ein bisschen sehr genau, Guste, und ein bisschen zu scharf,

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