Diese alte Sehnsucht Roman
Augenblicke später die Dusche rauschte, merkte er, dass er den Atem angehalten hatte.
»Also, ich finde, es war eine wunderbare Hochzeit«, lauteten eine Viertelstunde später ihre ersten Worte des Tages, als hätte er im Schlaf eine andere Meinung geäußert. Sie stand am Fußende des Betts und trocknete sich unbefangen ab. Es war eigentlich erstaunlich, wie anders sie war als Joy, wie selbstbewusst und sicher sie sich in ihrer nackten, nass glänzenden Haut fühlte. Selbst angezogen gelang es ihr stets, den Eindruck zu vermitteln, sie warte geduldig darauf, dass irgendjemand den Vorschlag machte, nackt baden zu gehen. Ihr Körper war vielleicht nicht mehr so jugendlich frisch, wie er es einmal gewesen war, doch sie war zuversichtlich, dass es Männer gab und wahrscheinlich noch für eine ganze Weile geben würde, die ihn begehrten. »Willst du duschen«, fragte sie ihn, »oder hast du andere Pläne?« Das war das andere: Marguerite liebte Sex so leidenschaftlich wie man etwas liebte, das einem als junger Mensch verwehrt gewesen war und das man nun nachholte.
»Duschen«, sagte er, denn sie hatten einen langen Tag vor sich, an dessen Ende eine Aufgabe auf ihn wartete, die so unangenehm war, dass sie sogar den Weg in seine Träume gefunden hatte: Er würde endlich die Asche seiner Eltern verstreuen. »Wie wär’s, wenn wir die anderen Pläne auf heute Abend verschieben?«
Sie hatte jedoch recht, dachte Griffin, als er unter den heißen Wasserstrahl trat. Die Hochzeit war wunderbar und – wie alle monatelang penibel geplanten Ereignisse – erstaunlich schnell vorüber gewesen. Es hatte keine weiteren Melodramen gegeben, was, da waren sich alle einig, nach der katastrophalen Probe ein Segen war. Trotz der verkratzten Unterarme war Laura, wie er es ihr versprochen hatte, eine herzzerreißend schöne Braut gewesen. Sie hatte Optimismusreserven mobilisiert, von denen sie noch am Abend zuvor nichts geahnt hatte, und sich ganz der wohlverdienten Freude überlassen. Nur einmal, ein paar Minuten vor der Zeremonie, hatte sie sich gestattet, ihrer Angst nachzugeben. Die Brautjungfern und Trauzeugen hatten sich am Ende des Korridors für die Prozession versammelt, und sie und Griffin waren in einem kleinen Vorraum gewesen. Er hatte ihr gesagt, wie schön sie sei und wie stolz Joy und er auf sie seien, und sie hatte erwidert, er sehe sehr L.A. -mäßig aus (er hatte eine ziemlich dunkle Sonnenbrille aufgetrieben, die sein immer noch schrecklich aussehendes, aber nicht mehr so geschwollenes Auge verdeckte). Doch als Pachelbels Kanon erklang, atmete sie tief durch, hakte sich bei ihm unter und sagte: »Ich will nicht, dass Mom und du alt werden.«
Das war natürlich ihre vertraute Angst, er und ihre Mutter könnten sich scheiden lassen, die lediglich eine Mutation durchlaufen hatte. Entweder das, oder sie dachte, nach dem gestrigen Abend, an Harve und die vielfältigen Demütigungen durch das Alter.
Nach langen Diskussionen hatte man ihrem angeschlagenen, aber nicht geschlagenen Großvater erlaubt, an der Hochzeit teilzunehmen. Die Ärzte waren verständlicherweise skeptisch. Seine Verletzungen waren relativ geringfügig, doch das Trauma, das aus dem Sturz in die Hecke resultierte, war es keineswegs, besonders für einen Mann seines Alters. Im Krankenhaus war er verwirrt und erregt gewesen, doch die Verwirrung war laut seinen Kindern normal und die Erregung auf die Möglichkeit zurückzuführen, er könnte nicht seinen Willen bekommen. Schließlich gaben die Ärzte nach, unter der Bedingung, dass sich ständig jemand um ihn kümmerte.
Dieser Jemand war die furchterregende Dot (verdammt!), die man schließlich in Portland fand, wo sie sich ein Motelzimmer am Flughafen genommen hatte, in der Absicht, am nächsten Morgen die erste Maschine nach Kalifornien zu nehmen. Einer nach dem anderen hatte sie beschworen zurückzukehren, und dann hatte Harve zum Hörer gegriffen und ihr gesagt, sie sei für das Gelingen der Feier unerlässlich – eine, wie Griffin schien, ziemlich durchsichtige Lüge, aber offenbar genau das, was sie hatte hören wollen, und so waren die Zwillinge nach Portland geschickt worden, um sie abzuholen. Während der Zeremonie schien sie relativ guter Stimmung zu sein, und Griffin erwartete eigentlich, sie würde zu ihm kommen und sich dafür entschuldigen, dass sie ihm gesagt hatte, er solle sich verpissen, besonders da er ja der Einzige in der Familie war, der ihr bei dem, was er insgeheim bereits als das
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