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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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wäre stolz auf dich gewesen«, versicherte Griffin ihm, denn er hatte nichts dergleichen andeuten wollen. »Sogar ich bin stolz auf dich, und dabei sind wir nicht mal miteinander verwandt.«
    Das gefiel dem jungen Mann, doch sein Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war, und wich einem Ausdruck der Verwirrung. »Waren das Lauras Onkel? Jason und … Jared?«
    Griffin schmunzelte. Im Festzelt hatte er bemerkt, dass die beiden Zwillinge Sunny in ihr Herz geschlossen und ihm alle hübschen jungen Frauen vorgestellt hatten, auch die, denen sie selbst noch nicht vorgestellt worden waren.
    »Sie machen sich über ihren Vater lustig«, sagte Sunny.
    Sunny war natürlich nicht bei der Hochzeitsprobe gewesen, doch Griffin vermutete, dass nicht einmal der Einsturz der Rollstuhlrampe und das anschließende Martyrium in der Hecke für ihn unerklärlicher und beunruhigender gewesen wären als die Art, wie die beiden Zwillinge Harve behandelten. »Es fällt ihnen schwer, ihre Zuneigung auszudrücken«, erklärte Griffin. »Sie sind eben Männer. Und Idioten.«
    Sunny nickte ernst.
    »Davon abgesehen sind sie gar nicht so übel«, fuhr Griffin fort. »Bei einer Schlägerei wäre es gut, sie auf seiner Seite zu haben. Allerdings« – er zeigte auf sein Auge – »gerät man auch viel leichter in eine Schlägerei, wenn sie dabei sind.«
    »Ich habe den Fehler gemacht, ihnen zu sagen, dass ich erst am Montag wieder in Washington sein muss. Sie wollen morgen mit mir nach Bar Harbor fahren. Sollte ich das lieber nicht tun?«
    »Nein, das würde ich nicht sagen. Aber vergiss nicht: Sie tun etwas und denken erst nachher darüber nach, allerdings weder besonders scharf noch besonders tief. Hast du je mit dem Gedanken gespielt, dich tätowieren zu lassen, Sunny?«
    »Wie bitte?«
    »Ich frage nur, weil du, wenn du mit ihnen trinken gehst, am nächsten Morgen mit einer Tätowierung aufwachen könntest.« Laura  würde da stehen.
    Sunnys Gedanken schienen in eine ähnliche Richtung zu gehen, denn nach einer kurzen Pause sagte er: »Ich werde später in diesem Jahr selbst heiraten.«
    »Tatsächlich? Herzlichen Glückwunsch!« Sie stießen unbeholfen an. »Möchtest du mir von ihr erzählen?«
    »Ja.« Doch dann sagte er einen langen Augenblick nichts. »Sie ist Koreanerin. Aus einer guten Familie. Sie hat sehr geduldig darauf gewartet, dass ich um ihre Hand anhalte.«
    »Wird die Hochzeit hier sein?«
    »Nein, Seoul. Ich habe Laura und … Andrew eingeladen, aber ich würde es natürlich verstehen, wenn sie nicht kommen könnten. Es ist eine weite und sehr teure Reise. Ich hoffe, dass wir uns später mal sehen. Andrew ist noch nie in Washington gewesen.«
    »Dann werdet ihr in Amerika leben?«
    »Ja, natürlich. Meine Mutter ist hier, meine Brüder, und meine Arbeit ist auch wichtig.«
    »Ja, das stimmt.«
    Sunny freute sich über dieses Vertrauensvotum, schien aber auch besorgt. »Warum gibt ein reiches Land wie unseres Leuten, die nichts haben, die Schuld für seine Probleme?«
    »Gute Frage. Und älter als der Zaun an der Grenze zu Mexiko. Sie betrifft aber wahrscheinlich nicht nur uns Amerikaner.«
    »Nein, aber wir sind für andere Länder verantwortlich.«
    »Sind wir denn für unser  Land verantwortlich, als Individuen? Ist das nicht ein sehr hoher Anspruch?«
    »Ja. Aber ich glaube, dass wir verantwortlich sind.«
    Griffin nickte und stellte überrascht fest, dass er, obgleich er selbst diese Frage gestellt hatte, mit Sunnys Antwort übereinstimmte. Und dass er den Scotch ausgetrunken hatte.
    »Sie ist sehr glücklich«, sagte Sunny, als wäre dieser Sprung von einer politisch-philosophischen Diskussion zu einer sehr persönlichen Betrachtung das normalste von der Welt.
    Liebe , dachte Griffin und lächelte. Nur die Liebe machte einen solchen Sprung möglich. Nur die Liebe verband ein Ding mit allen anderen Dingen und brachte einen dazu, alles auf eine Karte zu setzen – die dümmste und zugleich mutigste und begeisterndste aller ökonomischen und emotionalen Strategien. »Ja, ich glaube, das ist sie«, sagte er beinahe entschuldigend. Seine Tochter war glücklich und verdiente, es zu sein. Und doch – jetzt, da er mit Sunny Kim in dieser stillen, schummrigen Bar saß, fragte Griffin sich unwillkürlich, ob der Wurm vielleicht schon im Apfel war. Würde Laura ihren Freund Sunny Kim in zehn oder zwanzig Jahren anders sehen? Griffin kannte kein aufrichtigeres, treueres Herz als Lauras, aber selbst die besten Herzen

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