Diese alte Sehnsucht Roman
»Martyrium in der Hecke« bezeichnete, mit einem Minimum an Freundlichkeit und Rücksichtnahme begegnet war, doch sie hielt recht betont auf Abstand, als wollte sie damit andeuten, er habe, indem er ihre missliche Lage korrekt erkannt und ihr selbst seine Sympathie gezeigt hatte, die Verantwortung dafür übernommen.
Die Zeremonie wurde von einem unitarischen Geistlichen vorgenommen, einem Freund von Andys Familie, und Joy hätte im Hinblick auf allzu viele religiöse Untertöne unbesorgt sein können, denn dieser Bursche schien alle liturgischen Vorgaben gänzlich außer Acht zu lassen. Er hielt sich offenbar für einen Komiker und nutzte die Teile des Gottesdienstes, in denen normalerweise gebetet wurde, um der Festgemeinde die denkwürdigeren Augenblicke der Hochzeitsprobe zu schildern, an der er zwar nicht teilgenommen, über die er aber so einiges gehört hatte. Obgleich das spärliche, nervöse Gelächter über seine Versuche, witzig zu sein, nicht sehr ermutigend sein konnte, machte er tapfer weiter – offenbar war das Vertrauen in sein komisches Talent so groß und unerschütterlich wie sein Glaube an den Allmächtigen. Als er zur Erbauung der Anwesenden schilderte, wie der Großvater der Braut mittels einer Motorsäge aus der Venusfliegenfallenhecke hatte befreit werden müssen, sagte Harve, der seinen Namen aufgeschnappt hatte, mit lauter, vom gestrigen Gebrüll heiserer Stimme: »Wer zum Teufel ist dieser Typ eigentlich?«
Griffins väterliches Pflichtgefühl sorgte dafür, dass er bei der Zeremonie aufmerksam und konzentriert blieb, doch die darauf folgende Feier, bei der er eine weniger zentrale Rolle spielte, erwies sich als die größere Herausforderung. Als Musik für den Eröffnungstanz mit seiner Tochter hatte Laura, in nicht ironischer Absicht, wie er hoffte, »Teach Your Children Well« ausgesucht. Andy tanzte mit seiner Mutter – die beiden schienen diese Tradition nicht zu kennen und waren steif vor Befangenheit. Binnen Kurzem drängten sich auf der Tanzfläche zahlreiche Menschen, von denen ein statistisch unwahrscheinlicher Prozentsatz Pflaster und Verbände trug. Als der Wein zu fließen begann und alle sich entspannten und amüsierten, fühlte Griffin sich zunehmend überflüssig. Er und Joy hatten zuvor vereinbart, dass sie nicht miteinander tanzen würden, damit ihre Tochter bei ihrem Anblick nicht zusammenbrach. Joy, deren Mittelfinger durch eine große, schimmernde Metallschiene etwas Obszönes hatte, war nicht unter den Tanzenden. Als Begründung gab sie an, die genähte Wunde schmerze, doch Griffin hatte den Verdacht, dass sie es unpassend fand, auf der Hochzeit ihrer Tochter mit Ringo zu tanzen. Vielleicht steckte aber auch mehr dahinter. Irgendetwas an der Körpersprache der beiden war heute anders, und er fragte sich, ob sie gestritten hatten. Diese Möglichkeit hätte ihn aufgemuntert, wäre nicht zwischen ihr und ihm selbst ebenfalls eine größere Distanz gewesen, als hätte der kurze, unbeaufsichtigte Augenblick intimer Nähe in der Notaufnahme sie so erschreckt, dass sie entschlossen war, etwas Derartiges nicht noch einmal zu riskieren.
Am Morgen hatte er seinerseits Marguerite vorgeschlagen, nicht allzu demonstrativ als Paar aufzutreten. Da er wusste, wie gern sie tanzte, hatte er gesagt, es sei wahrscheinlich in Ordnung, wenn sie zu ein paar schnellen Stücken tanzten, aber die langsamen Klammerbluesnummern sollten sie lieber auslassen. Wenn er die Befürchtung gehegt hatte, sie dadurch befangen gemacht zu haben, so erwies sich diese als unbegründet. Mit einem Schrei der Begeisterung erkannte sie Sunny Kim wieder, der im vergangenen Jahr wie sie am Katzentisch gesessen hatte, zog ihn sogleich auf die Tanzfläche und ließ ihn erst wieder gehen, als sie zu drei langen Stücken getanzt hatten. Danach tanzte sie mit Andy, sämtlichen Trauzeugen und sogar mit Ringo, der einen beeindruckenden Bluterguss auf der Stirn hatte und sich, wie Griffin zufrieden feststellte, bewegte wie ein Mann mit einem Korsett. Nachdem sie all diese Partner erschöpft hatte, wandte sie sich dem unitarischen Komiker zu, dessen Gesichtsausdruck den Verdacht nahelegte, dass er Geistlicher geworden war, um derlei gesellschaftlichen Verpflichtungen zu entkommen. Auf der Tanzfläche wirkte er, als wäre er überall lieber als in Marguerites Armen, und sorgte damit unabsichtlich für die Komik, die ihm bei der Hochzeitszeremonie gefehlt hatte. Wenn sie nicht tanzte, suchte Marguerite Zuflucht am Tisch
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