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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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wie ihm zu Gebote stand, aber natürlich war sein Erscheinungsbild, das sie zum ersten Mal wirklich wahrzunehmen schien, ein weit überzeugenderes Argument für das Gegenteil. »Weißt du, was ich tue?«, sagte sie. »Ich stelle mir die Hochzeitsfotos vor.«
    »Ich habe schon mal besser ausgesehen? Ist es das, was du sagen willst?«
    »Du siehst aus, als würdest du gleich umkippen.«
    »So fühle ich mich auch«, gab er zu. Seine Glieder waren mit einem Mal schwer, sein Kopf saß auf den Schultern, als wäre er mit Sand gefüllt. Doch er wollte nicht, dass dieses Gespräch, diese Situation endete, jetzt noch nicht.
    »Soll sich ein Arzt dein Auge ansehen?«
    »Nein, ich brauche bloß Schlaf. Und ein paar Ibies.« Das war ihr Scherzwort für Ibuprofen. Es war ihm einfach herausgerutscht, so unbewusst, wie er am Nachmittag, auf dem Parkplatz, ihre Hand genommen hatte.
    Als er sich erhob, um zu gehen, sagte Joy: »Ich glaube, was ich dir zu sagen versuche, ist, dass ich dir eine Entschuldigung schulde.«
    »Wofür denn?«
    »Die Sache mit deiner Mutter«, sagte sie. »Ich hätte dich damit nicht allein lassen sollen. Ich habe mir gesagt, dass du es ja so wolltest, dass du dich in den Raum zurückgezogen hast, zu dem ich nie Zutritt hatte. Ich hab mir gesagt, ich würde kommen, wenn du mich darum bitten würdest, aber erst dann. Und das war falsch. Nur damit du es weißt: Du bist nicht der Einzige, auf den unsere Tochter wütend ist.«
    »Ich werde mit ihr reden.«
    »Das brauchst du nicht. Sie liebt uns beide. Ich glaube, für eine Weile hat sie versucht, uns nicht zu lieben, aber es hat nicht geklappt.«
    »Sie ist die Tochter ihrer Mutter.«
    »Bevor du gehst«, sagte sie und hielt ihm ihre Handtasche hin, »mach die bitte auf.« Er tat es, und sie kramte mit ihrer unverletzten Hand darin, bis sie ihre Schlüssel gefunden hatte. »Die Urne deines Vaters steht auf dem Rücksitz. Leg die Schlüssel einfach in den Getränkehalter.«
    Griffin nahm sie an sich.
    Als er an der Tür stand, sagte sie: »Du wolltest doch wissen, ob Brian mich glücklich macht.«
    Er war sich nicht sicher, ob er das wissen wollte, nickte aber trotzdem.
    Sie setzte an, hielt aber inne, und als sie schließlich sprach, hatte er den deutlichen Eindruck, dass es nicht das war, was sie ursprünglich hatte sagen wollen. »Er macht mich nicht unglücklich.«
    »Na ja«, sagte er und spürte, wie ihm das Herz sank. »Das ist ja immerhin etwas.«
    Rief sie ihm nach, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte? Er blieb auf dem Korridor stehen, hörte von drinnen aber nichts. Tatsächlich war in diesem Augenblick die ganze Welt still.
    Laura und Andy traten aus einem anderen Behandlungszimmer und sagten, er solle sich nicht ans Steuer setzen, doch er antwortete, es gehe ihm gut, er sei nur müde. Er bot ihnen an, mit ihnen zurück zum Hotel zu fahren, doch Laura sagte, sie wollten auf Joy warten. Draußen holte er die Urne aus Joys Geländewagen und legte die Schlüssel, wie angewiesen, in den Getränkehalter. Er öffnete den Kofferraum seines Mietwagens und rechnete halb damit, dass seine Mutter Einwände erheben würde, doch es war ein langer Tag gewesen, und anscheinend mussten auch Geister schlafen, und so stellte er die Urne seines Vaters einfach neben ihre. Dann stieg er ein, kurbelte die Fenster herunter und saß einfach da. Das Magazin mit »Der Sommer mit den Brownings« lag noch immer auf dem Armaturenbrett. An diesem Abend hatte sich keine Gelegenheit ergeben, es Joy zu überreichen, und er bezweifelte, dass das morgen anders sein würde. Er konnte das Heft natürlich in ihren Wagen legen, entschied sich jedoch dagegen, denn er war mit einem Mal einfach zu müde.
    Die Nachtluft roch nach Salz und Meer, und er sog sie tief ein und dachte, wie schön es wäre, gleich hier einzuschlafen. Wieder wurde ihm bewusst, wie verschieden Maine und das Cape waren. Was wäre wohl geschehen, wenn Joy und er ihre Flitterwochen hier verbracht hätten, wie sie es gewollt hatte, anstatt in Truro? Hätten sie einen anderen Traum entworfen? Er war dabei einzunicken, als er aus der Richtung des Krankenhauses Rufe hörte. Herrje , dachte er, was ist denn jetzt schon wieder los? Doch es waren nur die idiotischen Zwillinge Jared und Jason, die die Suche nach ihrer Stiefmutter ausweiteten. Mit der Stimme des Mannes, den sie noch immer für ihren Vater hielten, riefen sie im Chor: »Dot! Wo bist du, Dotverdammt!«
    Als er am Gasthof ankam, zeigte die Uhr auf dem

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