Diese alte Sehnsucht Roman
Kind.«
Dann war die Leitung tot.
Herrgott, dachte Griffin, es regnete wirklich wie aus Kübeln. Als fiele aller Kummer der Welt vom Himmel.
6
LAURA UND SUNNY
Griffin fürchtete, Joy und er würden unter den Ersten sein, die eintrafen, doch es wimmelten schon Dutzende Gäste herum und tranken Mimosas auf der großen hinteren Veranda des Hotels. Von dort erstreckte sich die weite Fläche eines getrimmten Rasens gut hundertfünfzig Meter bis zum Strand.
»Da seid ihr ja«, sagte Laura, und dann fielen sie und ihre Mutter sich wie üblich um den Hals, als wäre eine von ihnen in großer Gefahr gewesen und als hätten sie gefürchtet, einander nie mehr zu sehen.
Tatsächlich war Joys Anreise am Abend zuvor grauenvoll gewesen. Wolkenbrüche, wie der, den Griffin auf dem Parkplatz der Olde Cape Lounge erlebt hatte, waren über der ganzen Region niedergegangen. Dreimal hatte sie auf dem Randstreifen der Schnellstraße anhalten müssen, und ihr Wagen war eine Mondlandschaft aus Hageldellen. Auch Laura und ihre Freunde weiter draußen auf dem Cape hatten Ähnliches erlebt. Erst Vogelscheiße, dann sintflutartiger Regen und Hagel. Plötzlich lagen die Griffins überall unter Beschuss (wie Tommy es ausgedrückt hatte). Was kam als Nächstes? Frösche? Er sah zum Himmel, doch der war wolkenlos blau.
»Du siehst …« Griffin wusste, dass Joy sagen wollte: »… toll aus.«
»… aus wie Schneewittchen«, vollendete Laura den Satz.
Das stimmte. Ihr Brautjungfernkleid hätte eine Leihgabe aus Disneys »Magic Kingdom« sein können. Und sie wirkte so glücklich, wie Griffin sie selten gesehen hatte. Seine Tochter war lange ohne Freund gewesen und hatte den Mann fürs Leben gesucht, sich aber nie für den Erstbesten entschieden, was Joy stolz gemacht hatte. Auch Griffin war irgendwie stolz, aber auch besorgt. Als Mädchen hatte sie mal mit dem Gedanken gespielt, Nonne zu werden, und er fragte sich, ob ihre Bereitschaft, auf eine intime Beziehung zu verzichten, nicht vielleicht ein letzter Rest dieser romantischen und vollkommen perversen Überlegung war. Wahrscheinlich aber stimmte Joys Einschätzung, und es war einfach die mutige Weigerung, sich zu begnügen, die sich endlich auszahlte. Laura war schon auf etlichen Hochzeiten ihrer Freundinnen gewesen, doch dies war die erste, auf der sie mit einem Freund erschien. Sie schien zu glauben, dass sie bald verlobt sein würde, und Griffin wusste nicht, was er tun würde, wie Joy und er sie trösten würden, wenn es nicht dazu kam.
»Stellt euch vor: Andy gefällt es«, sagte sie und verdrehte die Augen. »Männer. Keinen Geschmack, aber davon jede Menge.«
»Apropos: Wo ist er?«, fragte Joy.
»Irgendwo«, seufzte ihre Tochter. »Er macht sich immer unsichtbar.«
Das gab Griffin zu denken. War der Junge von Natur aus schüchtern, oder hatte er bereits begriffen, dass das Verschwinden zu den notwendigen Überlebensstrategien gehörte, die er brauchen würde, wenn er in Lauras Familie einheiratete? Er hatte die mütterliche Seite noch nicht kennengelernt, wahrscheinlich aber Geschichten gehört, und natürlich hatte er Dutzende halbstündige Telefongespräche zwischen Laura und ihrer Mutter mitbekommen. Wenn sich herausstellte, dass er der Auserwählte war, würde Griffin ihn beiseitenehmen und seine Instinkte überprüfen müssen.
»Ein harter Tag für ihn«, sagte Joy mit echtem Mitgefühl, denn wahrscheinlich kannte Andy hier niemanden.
»Dem geht’s gut«, sagte Laura und wandte sich zu Griffin. »Alle lieben ihn.« Die Umarmung, mit der sie ihn begrüßte, war ganz anders als die mit ihrer Mutter. Diese Umarmung brachte zum Ausdruck, dass sie annahm, es gehe ihm gut und er sei vielleicht sogar unzerstörbar. Es freute ihn, dass sie ihn so sah, auch wenn es ihn zugegebenermaßen etwas verwunderte. »Tut mir leid, die Sache mit Sid, Dad. Gehst du zur Beerdigung?«
»Vielleicht. Tommy ruft mich an, wenn er Genaueres weiß.«
»Da ist ja mein Süßer«, sagte Laura. Ihr Gesicht erstrahlte, alle Gedanken an Tod und Sterblichkeit waren wie weggewischt. Sie hatte ihren Freund entdeckt, der sich in einiger Entfernung in dem für den Empfang errichteten Zelt mit einem der Trauzeugen unterhielt. Die Trauzeremonie sollte am Strand unter einem reich verzierten Bogen stattfinden. Etwa hundertfünfzig Klappstühle waren dort aufgestellt worden – anscheinend gestern, denn einige Hotelangestellte waren dabei, sie trocken zu wischen.
»Übrigens«, sagte Laura und sah auf die
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