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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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Kichern animierte. »Ich glaub’, mich tritt ein Pferd« , flüsterte Griffin Joy zu, aber die verstand die Anspielung natürlich nicht. Obwohl sie gern Filme sah, hinterließen selbst die ikonischsten Szenen bei ihr keinen bleibenden Eindruck, und sie hatte seine Fähigkeit, solche Szenen Wort für Wort zu zitieren, schon immer ziemlich pervers gefunden.
    Als sie schließlich aufgefordert wurden, die Gläser zu erheben und auf Braut und Bräutigam zu trinken, war Harolds Glas leer. Vielleicht um auf diese Tatsache hinzuweisen, stand Sunny nach dem offiziellen Toast auf und brachte noch einen eigenen für Tisch siebzehn aus. »Verweile unter Menschen hier, sei freundlich und tu Rechtes«, begann er und grinste aus irgendeinem Grund erst Griffin und dann Marguerite an, »sei gütig, fröhlich, gut gelaunt, und denk von keinem Schlechtes.« Danach beugten sich alle vor und stießen an, und das »Ting!«, mit dem Harolds leeres Glas gegen die anderen, vollen schlug, klang Griffin besonders angenehm in den Ohren.
    »Was für ein seltsamer Trinkspruch«, flüsterte Joy.
    Griffin kam es so vor, als wäre er ihm schon einmal begegnet, und zwar kürzlich. Er spürte, wie eine undeutliche Erinnerung sich langsam zu den vorderen Regionen seines Kopfes vorarbeitete, doch dann vibrierte sein Handy, und das schwache Bild verschwand. »Schon wieder?«, sagte Joy ungläubig, als er ihr zeigte, wer es war.
    »Ich gehe hinaus«, sagte er und erhob sich. »Augenblick, Mom.«
    Es dauerte eine Minute, bis er draußen war, und als er den Apparat ans Ohr hielt, stellte er fest, dass seine Mutter, die es nicht gewöhnt war, warten zu müssen, unentwegt weitergesprochen hatte. »Mom, ich hab kein Wort gehört. Ist alles in Ordnung?«
    »Natürlich ist alles in Ordnung.«
    »Warum rufst …«
    »Hast du es schon getan?«
    »Was getan?«
    »Deinen Vater zu Wasser gelassen.«
    »Wie bitte?«
    »Seine Asche verstreut. Ihn zur letzten Ruhe gebettet.«
    »Nein, noch nicht.«
    »Ich finde, du solltest ihn auf der Bay-Seite verstreuen. Er war doch eher ein Mensch für ruhiges Wasser, meinst du nicht auch? Wordsworth war sein Lieblingsdichter. ›Gefühle in Gelassenheit erinnert‹ und dieser ganze Unsinn, und letztlich lief es darauf hinaus, dass er Angst vor den Wellen hatte. Er hasste es, hin und her geworfen zu werden und eine Macht zu spüren, die größer war als er selbst.«
    Die Musik von drinnen wurde jetzt lauter, und Griffin drehte dem Zelt den Rücken zu (als würde das etwas helfen) und legte die Hand auf sein anderes Ohr (was tatsächlich half, wenn auch nicht viel).
    »Was ist das für ein Krach?«, wollte seine Mutter wissen.
    »Musik. Wir sind auf der Hochzeit, Mom.«
    »Was für eine Hochzeit? Du hast gesagt, du wärst da, um die Asche deines Vaters zu verstreuen.«
    »Ich habe noch mehr gesagt, aber du hast nur das behalten.«
    »Irgendwo an der Nordküste. Vielleicht bei Sandwich.«
    »Das ist ja kaum noch auf dem Cape«, sagte Griffin. »Du hast Sandwich immer gehasst. Wir könnten ihn ebenso gut in den Kanal werfen.«
    »Ich weiß nicht, wen du mit wir meinst. Ich habe bloß einen Vorschlag gemacht. Die Entscheidung liegt bei dir.«
    »Ich werde darüber nachdenken«, sagte er und hätte sogleich auflegen sollen. Stattdessen fragte er: »Erinnerst du dich an die Brownings? Auf dem Cape?«
    »Sag nicht, du hast sie getroffen.«
    Das war überraschend. Er hatte nicht erwartet, dass ihr der Name etwas sagen würde, und als sie sich erinnerte, wurde er neugierig. »Sprechen wir von denselben Leuten? Ich muss damals elf oder zwölf gewesen sein und –«
    »Zwölf. Sie hatten das Haus gegenüber. In der Mitte der Siedlung war ein grässlicher Spielplatz, und sie wohnten auf der anderen Seite. Das war in der Nähe von Orleans, oder? Jedenfalls würde ich deinen Vater nicht dort verstreuen. Lieber an der Nordküste. An irgendeiner Stelle, wo das Wasser ruhig und brackig ist, da kannst du ihn versenken. Ihm wäre das sehr lieb. Eigentlich ist der Kanal gar keine schlechte Idee.«
    »Mom, wegen der Brownings …«
    »Du hast deinen Vater und mich zwei Wochen lang praktisch ignoriert. Und wenn du den Mund aufgemacht hast, ging es immer nur um Steven Browning. Dein Vater dachte schon, du bist schwul.«
    »Peter«, korrigierte er sie und ärgerte sich, dass sowohl Tommy als auch sein Vater zu demselben falschen Schluss gekommen waren. War die Einsamkeit eines Zwölfjährigen so schwer zu diagnostizieren?
    »Weißt du noch, wie du dich

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