Diese alte Sehnsucht Roman

sie sich aneinander, in dem Wissen, dass sie unerhörtes Glück gehabt hatten und dass sie sich in einem nicht weniger plausiblen Szenario nie begegnet und noch immer allein, noch immer auf der Suche wären. Es war nicht leicht, den Blick von ihnen zu wenden, und für Griffin wäre diese Freude ungetrübt gewesen, hätte nicht Sunny ebenfalls in seinem Blickfeld gesessen. Er versuchte, ihn nicht anzusehen, jedenfalls nicht direkt, versuchte, nicht an den Jungen zu denken, der bei der Geburtstagsparty vor vielen Jahren ganz allein dagestanden und so getan hatte, als wäre er gar nicht allein. Doch irgendwie öffnete das einem anderen unangenehmen, mit dem ersten in keinem Zusammenhang stehenden Gedanken die Tür. Konnte es sein, dass seine Mutter recht hatte und Peter Browning in Vietnam gefallen war? Griffin spürte angesichts dieser Möglichkeit so etwas wie Panik in sich aufsteigen, er konnte sie regelrecht in der Kehle spüren. Aber das war wirklich höchst unwahrscheinlich, sagte er sich. Als Sohn von Lehrern wäre er doch bestimmt wie Griffin aufs College gegangen und zurückgestellt worden. Am Ende seiner eigenen Zurückstellungsfrist war der Krieg vorbei gewesen, und bei Peter wäre es genauso gewesen. Am Telefon hatte seine Mutter geklungen, als sei sie sehr sicher, aber das tat sie ja immer, besonders, wenn sie falsch lag. Sollte jemand sie morgen fragen, wie der Sohn der Brownings geheißen habe, so würde sie sagen, Steven , und auch da würde sie ganz sicher sein. Konnte es wirklich sein, dass sie sich erinnerte, damals die ganze Nacht an seinem Bett gesessen und ihn getröstet zu haben? Wann hatte sie so etwas je getan? Und auf keinen Fall waren sie an jenem Abend ins Blue Martini gegangen. Das war das Lokal gewesen, in das sie und sein Vater hatten gehen wollen, bevor Griffin es ihnen vermasselt hatte. Aber dass Peters Schwester Asthma gehabt hatte, klang irgendwie richtig, und es war gut möglich, dass sie gestorben war. Aber hatte Peter ihm tatsächlich geschrieben, wie seine Mutter behauptete? So war es immer mit ihren Erinnerungen: Sie packte gerade so viele Einzelheiten hinein, dass man an seinem eigenen Gedächtnis zweifelte, aber letztlich funktionierten ihre Geschichten nie. Sie endeten im Ungefähren wie die seines Studenten, der jetzt einige Seiten fehlten.
    Als der DJ nach dem ersten langsamen Tanz zu einem ohrenbetäubenden Bon-Jovi-Stück überging, sprangen die beiden Lesben laut lachend auf, als wäre dies der allerbeste Witz, und hüpften mit fuchtelnden Armen auf die Tanzfläche. »Ich hoffe, du gibst dich nicht der Illusion hin, dass du einfach sitzen bleiben kannst«, rief Joy und stand auf. Gegenüber stieß Marguerite den unwilligen Harold an.
    »Gut, gut, aber warte einen Augenblick«, sagte Griffin. Wenn es Marguerite gelang, Harold auf die Tanzfläche zu bugsieren, und Joy und er sich ebenfalls vom Tisch entfernten, würden Sunny und der Schlaganfallmann allein zurückbleiben, und das konnte er nicht zulassen.
    Doch dann erschien seine schöne Tochter, fasste Sunny an beiden Händen und zog ihn hoch. Er schüttelte den Kopf und sagte, nein, er sei ganz zufrieden, doch Laura ließ nicht locker, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf die Tanzfläche führen zu lassen, wo bereits Andy und die Lesben und die Braut und der Bräutigam und die ganze bunt gemischte Gesellschaft waren.
    »Ich weiß. Sie ist wunderbar«, sagte Joy, die seine Gedanken las, als sie sich mit Marguerite und Harold in die tanzende Menge schoben. »Du machst dir zu viele Sorgen, weißt du das?«, sagte sie und nickte in Richtung Sunny, der sich unter all den anderen jungen Leuten ganz gut hielt. Ein bisschen steif vielleicht, aber besser, als Griffin gedacht hatte. Er hatte das Jackett aufgeknöpft, die Krawatte gelockert und den Kragenknopf geöffnet. Wirklich selbstvergessen würde er vermutlich nie sein. Tanzen war zu sehr wie Chatten, und Sunny würde wohl immer zu viel Angst vor Spontaneität haben. Doch er ließ sich von der Musik treiben, das konnte man sehen, und er hatte sogar ein paar gute Schritte drauf. Hatte er diese Gelegenheit vorausgesehen und Unterricht genommen, hatte er Spaß studiert, wie er in Stanford politische Wissenschaften und Molekularbiologie studiert hatte? Hatte er geübt, wie er früher, als Junge, geübt hatte, Griffin zu sagen, sie hätten ein schönes Haus?
    Griffin hatte den Verdacht, dass Joy, wenn sie sagte, er mache sich zu viele Sorgen, eigentlich meinte, er