Diese alte Sehnsucht Roman
schon am Vorabend, Mitleid mit Marguerite gehabt und ein paarmal mit ihr getanzt, und sie hatte ihm ihre Visitenkarte gegeben und ihn versprechen lassen, dass er zu ihr kommen würde, wenn er einmal in L.A. war, um (er hatte es schließlich doch nicht fertig gebracht, es ihr nicht zu erzählen) einen Film zu schreiben, und Blumen für eine bezaubernde Schauspielerin brauchte. Und er sollte nur nicht glauben, warnte sie ihn, dass sie es nicht erfahren würde, wenn er das nicht täte. Was für eine schöne Hochzeit! Marguerite wollte gar nicht daran denken, was sie Kelseys Eltern kosten würde. Das einzig Bedauerliche an dieser ganzen Reise war die Tatsache, dass sie und Griffin nie herausgefunden hatten, was auf diesem Schild in dem Restaurant gestanden hatte – was ihnen aber zweifellos gelungen wäre, wenn er sich nicht so schnell davongeschlichen hätte.
Plötzlich musste Griffin so sehr lachen, dass das Bett erzitterte und Joy aufwachte. »Was ist?«, fragte sie und deckte sich rasch bis zum Hals zu – zehn Minuten Schlaf reichten, um ihre Schamhaftigkeit wiederherzustellen.
»Ich sag’s dir morgen früh. Mir ist nur gerade etwas eingefallen. Schlaf weiter.«
Es war Sunnys seltsamer Trinkspruch: Verweile unter Menschen hier, sei freundlich und tu Rechtes, sei gütig, fröhlich, gut gelaunt, und denk von keinem Schlechtes. Die Worte waren ihm vertraut vorgekommen, und jetzt wusste er auch, warum, denn plötzlich sah er vor seinem geistigen Auge das Schild hinter der Bar der Olde Cape Lounge.
Grinsend lag Griffin im Dunkeln da. Die Geräusche nebenan dauerten an. Irgendwann dämmerte ihm, dass das die Lesben sein mussten, und kurz darauf war er eingeschlafen.
Teil 2
DIE KÜSTE VON MAINE
(Zweite Hochzeit)
8
GLÜCK
Wie schnell alles auseinandergefallen war. Selbst nach einem Jahr – das er hauptsächlich in L.A. verbracht hatte – verschlug die Dynamik der Ereignisse nach Kelseys Hochzeit Griffin noch immer den Atem.
Zum ersten Mal seit Ewigkeiten, wie ihm schien, hatte er die Nacht durchgeschlafen und sich beim Aufwachen rundum wohlgefühlt – seine Missstimmung oder was immer es gewesen war, hatte ihn endlich verlassen. Die Morgenbrise, in der die Chintzvorhänge sich bauschten, roch nach Meer und erinnerte Griffin an ihre Flitterwochen in Truro. Später am Morgen würden sie dorthinfahren, und auch das machte ihn glücklich. Joy war gewöhnlich eine Frühaufsteherin, aber der Sex und zu viel Alkohol hatten auch sie schläfrig und zufrieden gemacht. Als er ihre nackte Schulter berührte, schnurrte sie wie eine Katze, was möglicherweise bedeutete, dass sie einer Wiederholung der Intimitäten von gestern Abend nicht abgeneigt war. Vielleicht genoss sie aber auch nur den besonderen Luxus, nach dem langen, anstrengenden Semester einmal auszuschlafen. Oder daran zu denken, dass Laura jetzt verlobt war. Bevor Griffin sich für eine Möglichkeit entscheiden konnte, war er wieder eingeschlafen.
Es war beinahe halb elf, als er spürte, dass Joy aufstand, und das Rauschen der Dusche im Badezimmer hörte. Vor ihm erstreckte sich der lange, träge Sommer, zweieinhalb herrliche Monate ohne Unterrichtsverpflichtung und um so realer, als er hier auf Cape Cod begann. Vor zwei Tagen noch hatte er gehofft, in dieser Zeit zu schreiben, was Sid – der arme Kerl – ihm anzubieten hatte, doch das würde nicht geschehen. Tja, so war das eben. Nach dem Gespräch mit seiner Mutter gestern Abend spielte er mit dem Gedanken, sich »Der Sommer mit den Brownings« noch einmal vorzunehmen. Ganz gleich, ob sie damit recht hatte oder nicht – der Tod des kleinen Mädchens würde der Geschichte zusätzliches Gewicht verleihen. Als die ungebetenen Eindringlinge, die sie waren, würde er die Figuren, die auf seinen Eltern basierten, stark zurückstutzen. Er war der Herr des Textes und würde die Geschichte auf ihren Kern reduzieren: eine unschuldige Ferienfreundschaft vor dem Hintergrund einer schrecklichen Realität, die beiden Jungen bewusst war, der sie sich aber nicht direkt zu stellen vermochten. Diese neue Strategie würde Peter mehr in den Vordergrund rücken, auch das keine schlechte Idee. Vielleicht würde er sogar einige Anspielungen auf Vietnam einflechten.
Er baute die Geschichte in Gedanken um, als sein Handy auf dem Nachttisch summte wie ein Käfer, der auf dem Rücken lag. Normalerweise stellte er das verdammte Ding vor dem Zubettgehen aus, doch gestern Nacht hatte er das offenbar vergessen.
»Griff«, sagte
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