Diese alte Sehnsucht Roman
für uns. Für dich, mich, Jackaroo und Al.« Offenbar war er zu der Entscheidung gekommen, das Beste aus der Situation zu machen. Die Fahrt vom Scheiß-Mittelwesten hierher hatte lange gedauert, und Griffins Mutter war die ganze Zeit wütend gewesen. Ihre Laune hatte sich nicht einmal verbessert, als sie über die Sagamore Bridge gefahren waren und sein Vater tapfer »That Old Cape Magic« angestimmt hatte. Das Motel am New York State Thruway, in dem sie die Nacht verbracht hatten, war beschissen gewesen, und dieses Haus hier würde noch beschissener sein.
Auf der anderen Seite des Geländes quietschte eine Fliegentür, und ein kleines Mädchen rannte begeistert schreiend heraus, gefolgt von seinem Bruder. Bei den Schaukeln blieben die beiden stehen und musterten die Neuankömmlinge mit schief gelegtem Kopf. (Fünfundvierzig Jahre später, am Steuer seines Cabrios, konnte Griffin spüren, dass sich sein Gesicht beim Anblick der beiden zu einem Lächeln verzog.)
»Na, wunderbar«, sagte seine Mutter und sah vor ihrem geistigen Auge zweifellos eine ganze Armee von verzogenen Bälgern – vermutlich wimmelten die anderen Häuser nur so von ihnen. »Ganz hervorragend.«
»Es wird schön werden, Mary«, sagte Griffins Vater. »Nächstes Jahr leisten wir uns was Besseres. Die Gehälter werden nie zwei Jahre hintereinander eingefroren.«
»Mir gefällt’s«, ließ sich Griffin, der spürte, dass sein Vater einen Verbündeten brauchte, vom Rücksitz vernehmen. Unter dem Giebel des Hauses war ein winziges Fenster, und er nahm ganz richtig an, dass es zu seinem Zimmer gehörte.
Seine Mutter starrte fassungslos durch die Windschutzscheibe. » Wie viel bezahlen wir dafür?«
»Es wird schön werden«, wiederholte sein Vater. »Aber vielleicht möchtest du dich ja ärgern.«
»Das ist ja der reinste Backofen«, bemerkte sie, als sie die Tür des winzigen Dachzimmers mühsam aufgedrückt hatten. Es war kaum mehr als eine Kammer und an der höchsten Stelle nur etwa einen Meter fünfzig hoch. Sein Vater, der kein Hüne war, musste sich bücken. »Das ist jedenfalls eindeutig das Kinderzimmer«, sagte er, als Griffins Mutter, angewidert den Kopf schüttelnd, hinunterging. Drei Betten mit dünnen, fleckigen Matratzen standen in dem ohnehin kleinen Raum, zwei an gegenüberliegenden Wänden, das dritte zusammengeklappt hinter der Tür. Sein Vater stieß das winzige Fenster auf, und gemeinsam stellten sie eines der Betten direkt darunter auf, damit eine etwaige Brise darüber hinwegstrich. Am Fuß der einen Wand, wo das durch das Dach gebildete A am breitesten war, befanden sich einige eingebaute Schränkchen.
»Ich wette, darin bewahren sie ihre Spiele auf«, sagte sein Vater und zerrte an einer der Türen. Seine Eltern brachten nie eigene Spiele mit, sondern ließen sich lieber überraschen, was das gemietete Haus bereithielt, auch wenn es gewöhnlich uralte Brettspiele waren, denen Spielsteine fehlten und die daher unbenutzbar waren. Als die Tür sich nicht rührte, zog er fester, und diesmal gab sie nach. Sein Vater schrie auf und riss die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt, und dann beging er den Fehler, sich aufzurichten, und stieß mit dem Kopf an den niedrigen Dachbalken. »Au!«, rief er und rieb seinen Schädel mit beiden Händen. Immer wenn er sich verletzte, machte er ein Gesicht, als hätte man ihn verraten, als wäre jemand anders, vielleicht Griffin, dafür verantwortlich. Er klagte, er habe »eine niedrige Schmerzschwelle«, wohingegen Griffins Mutter sagte, er sei »ein großes Baby«. Jetzt beugte er sich vor, damit Griffin seinen Kopf untersuchen konnte. »Sieht man was?«
»Irgendwie schon«, sagte Griffin. Wo das Haar seines Vaters am schüttersten war, bildete sich eine beeindruckende Beule. Die Haut war abgeschürft, an einem Dutzend Stellen traten winzige Blutströpfchen aus.
»Blutet es?«
»Nur ein bisschen.«
Nun wandte sein Vater sich seinem verletzten Daumen zu, in dem ein dunkler Splitter steckte. »Der Urlaub fängt ja gut an.«
Griffin gab ihm recht.
»Deine Mutter …«, begann sein Vater, unterbrach sich aber, um an dem Splitter zu kauen.
Griffin wartete.
»Verdammt«, sagte sein Vater und zeigte Griffin auch diese Wunde. »Er steckt richtig tief drin.« Das dicke Ende des Splitters war dicht unter der Haut, das dünne, ein bloßer Schatten, saß wesentlich tiefer.
»Was ist mit Mom?«
»Im Augenblick ist sie auf dem Kriegspfad, aber sie wird sich schon wieder beruhigen.«
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