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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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am Ende des Sommers mit den Brownings einen Trotzanfall bekommen und sich geweigert, in den Wagen zu steigen, doch er selbst hatte das ganz anders in Erinnerung. Seine Eltern waren gerade dabei, das Gepäck einzuladen, als der Vermieter kam, um die Schlüssel abzuholen.
    »Was ist das?«, fragte sein Vater, als der Mann ihm einen roten Schnellhefter hinhielt.
    »Die Preise und freien Termine fürs nächste Jahr«, sagte der Mann. »Sie haben die erste Wahl und zahlen hundert Dollar weniger, weil Sie schon dieses Jahr da waren.«
    »Ich glaube nicht, dass wir Interesse haben.«
    Der Mann warf einen Blick zu Griffins Mutter, um zu sehen, ob sie in dieser Sache mit ihrem Mann einer Meinung war, und wandte sich dann an Griffin. »Dann nimm du sie doch«, sagte er, vielleicht weil er spürte, dass es Griffins sehnlichster Wunsch war, im nächsten Jahr wieder hierherzukommen. »Falls sie es sich anders überlegen.«
    Bis zur Sagamore Bridge sagte keiner ein Wort. Griffins Mutter sah aus, als wollte sie auf dem ganzen Weg zurück in den Scheiß-Mittelwesten kein Wort sagen. Der Daumen seines Vaters war erst verheilt, aber dann war der Splitter wieder ausgetreten, und sein Vater hatte daran gekaut, bis die Wunde sich entzündet hatte. Jetzt war der Daumen doppelt so groß wie sonst, und als der Wagen über die Brücke rumpelte, wollte Griffins Vater, vielleicht weil er sich erinnerte, dass diese Verletzung vor zwei Wochen Mitgefühl geweckt hatte, ihn seiner Frau zeigen, doch sie wandte den Kopf ab. Er hätte nicht darauf beharren sollen, doch das Gespür dafür, wann es an der Zeit war aufzugeben, gehörte nicht zu seinen Stärken. »Habe ich Fieber?«, fragte er und beugte sich zu ihr, damit sie ihm die Hand auf die Stirn legen konnte. »Ich fühle mich ganz heiß an, nicht?«
    Sie sah einfach weiter aus dem Fenster.
    »Na gut«, sagte sein Vater und lehnte sich mit unberührter Stirn wieder zurück. »Großartig.«
    »Großartig«, wiederholte Griffin nun, da die Bourne Bridge in Sicht kam. Auch er fühlte sich fiebrig und legte prüfend die Hand auf die Stirn, aber natürlich konnte nur eine andere Person ein einigermaßen akkurates Urteil abgeben. Wäre Joy da gewesen und er hätte sie darum gebeten, dann hätte sie es ihm nicht verweigert. Da war er sicher. Aber obwohl nichts in der Welt ihn in diesem Augenblick glücklicher gemacht hätte als das Geschenk ihrer kühlenden Berührung, wusste er auch, dass er sie nicht gebeten hätte. Denn für ihn hätte es sich, selbst wenn er erhöhte Temperatur gehabt hätte, so angefühlt, als wollte er um ein Mitgefühl bitten, das er gar nicht verdient hatte – der Sohn seines Vaters.
    Hundert Meter vor der Bourne Bridge vibrierte sein Handy abermals. Er sah die Anzeige auf dem Display, fuhr auf den Seitenstreifen und griff nach dem Apparat. Im selben Augenblick fuhr Joys Geländewagen über die Brücke und verschwand dahinter.
    »Ich glaube, ich weiß, was Sid für dich hatte«, sagte Tommy. »Erinnerst du dich an Ruben Hand? Ruby?«
    Bei dem Namen klingelte es entfernt, aber …
    »Wir wollten damals einen Film für ihn schreiben, aber dann ging ihm das Geld aus. Jedenfalls, er ist jetzt im Fernsehgeschäft. Er hat da so eine Idee für einen Kabelfernsehfilm, irgendwas mit einem Collegeprofessor. Sid hat offenbar dich vorgeschlagen.«
    »Und woher weißt du davon?«
    »Meine Agentin hat mich vorgeschlagen. Wenn wir Ruben davon überzeugen können, dass wir die Richtigen für den Job sind, könnten wir’s zusammen machen. Sechs bis acht Wochen, höchstens zehn. Anfang September könntest du wieder über deinen Arbeiten sitzen. Anständige Gage. Wenn der Film ankommt, schieben sie vielleicht noch eine Serie nach.«
    »Ruby Hand. Der Typ, an den ich mich erinnere, war ein Arschloch.«
    »Genau. Er ist Produzent.«
    »Ich sitze gerade im Wagen. Wie wär’s, wenn ich das nachher mit Joy bespreche und dich von zu Hause aus noch mal anrufe?«
    »Ich will dich nicht beeinflussen, aber ich könnte den Job gebrauchen.«
    »Kann ich dich mal was fragen?«
    »Frag.«
    »Liebst du Joy noch immer?«
    Wie aus der Pistole geschossen sagte sein alter Freund: »Klar. Du nicht?«
    Eine so einfache Frage. Eine so einfache Antwort. Doch da saß er im Schatten der Bourne Bridge, und irgendwie gelang es ihm, sie zu verdrehen. Mit einem Mal war die Frage: Liebte Joy ihn, Griffin, noch immer. Wenn ja, sagte er zu sich, dann würde sie auf der anderen Seite auf ihn warten. Als sie vor Jahren L.A.

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