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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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gegenseitige Zuneigung trotz allem nicht abgenommen. Nach dieser einen Bemerkung darüber, dass Griffin Joy nicht anrief, vermied Tommy dieses Thema, und Griffin erwiderte den Gefallen. Sein Freund trank Alkohol erst ab fünf Uhr nachmittags – nur Wein, keine harten Sachen mehr –, doch dann trank er beständig, bis er zu Bett ging. Er war blass, und sein Bauch war zwar nicht groß, aber eigenartig asymmetrisch, als könnte er vielleicht eine Zyste enthalten. Tommy dagegen tat, als merkte er nicht, dass Griffin nur selten mehr als drei, vier Stunden schlief. Er stand jede Nacht ein halbes Dutzend Mal auf, um zu pinkeln, und streckte manchmal den Kopf ins Wohnzimmer, wo Griffin vor dem leise gestellten Fernseher saß. Mit einem Wort: Sie waren vorsichtig, als wäre das Fundament echter Freundschaft nicht Aufrichtigkeit, sondern Rücksichtnahme.
    So schleppte der Sommer sich dahin. Nach Griffins Ankunft hatten sie Tommys Schreibtisch vom Gästezimmer ins Esszimmer geräumt, und hier besprachen sie sich jeden Morgen. Tommy brachte aus der Küche eine Kanne Kaffee mit, und Griffin druckte das, was sie in den letzten Tagen geschrieben hatten, zweimal aus. Um Anschlussfehler zu vermeiden, lasen sie es durch, bevor sie sich an die nächste Szene machten.
    Eines Morgens sah Griffin von seinem Ausdruck auf und bemerkte, dass Tommy ihn mit einer Mischung aus Verärgerung und Traurigkeit musterte. »Griff«, sagte er, »tu uns beiden einen Gefallen: Fahr nach Hause.«
    »Noch eineinhalb Wochen, und wir haben eine erste Fassung.«
    »Scheiß auf die erste Fassung. Du bist unglücklich. Und du tust deiner Frau weh.«
    »Das weißt du nicht.«
    »Ich kenne sie. Und was ist mit deiner Tochter?«
    Laura wurde tatsächlich nicht gut mit der Situation fertig. Sie hatte ihn zweimal in L.A.  angerufen und wissen wollen, was los war. Was sie den größten Teil ihres Lebens befürchtet hatte, trat nun ein, während sie und Andy ihre Hochzeit planten. Er versuchte sie zu trösten und sagte, er und ihre Mutter hätten noch gar nichts entschieden, aber das Einzige, was sie wirklich getröstet hätte, wäre sein Entschluss gewesen, nach Hause zurückzukehren, sein altes Leben wieder aufzunehmen und so zu tun, als wäre in Wellfleet nichts geschehen.
    Zwei Wochen später, Mitte August, übergaben Tommy und er Ruby Hand den Entwurf. Beide fanden ihn ziemlich schlecht, hatten jedoch unterschiedliche Ansichten darüber, was damit nicht stimmte, und waren sich nur in zwei Punkten einig: Das Buch würde ohne zusätzlichen Input nicht besser werden, und ihr Produzent war noch dümmer, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatten. Brauchbare Anmerkungen waren Glückssache. Aber schnell war er, das musste man ihm lassen. Er rief am nächsten Tag an, als Tommy gerade nicht da war. Er habe das Buch gelesen, und es sei eindeutig »ein Schritt in die richtige Richtung«. Jetzt würden alle darüber nachdenken und in ein paar Tagen ihre Ideen diskutieren.
    »Tja, das war’s dann also«, sagte Tommy, als Griffin ihm von dem Gespräch erzählte.
    »Wie meinst du das?«
    »Mensch, warst du wirklich so lange weg? Dieses ›ein Schritt in die richtige Richtung‹ ist ein Code.«
    »Du glaubst, wir sind gefeuert?«
    »Nein – ich weiß, wir sind gefeuert.«
    Tommy hatte schon immer ein geradezu übernatürliches Gespür dafür gehabt, wann das Beil fallen würde, doch in diesem Fall war Griffin nicht überzeugt. »In unserem Vertrag steht was von einer Überarbeitung.«
    »Das ist das Papier nicht wert, auf dem es steht, Griff. Glaub mir, wir sind draußen. Du kannst schon mal anfangen zu packen.«
    Griffin entschloss sich zu einem Geständnis. »Ich hab letzte Woche das College angerufen«, sagte er. »Sie stellen mich für ein Jahr frei.«
    Tommy nickte und schüttelte dann den Kopf. »Joy weiß davon?«
    »Möglich. In einem kleinen College gibt es nicht viel, was geheim bleibt.«
    »Aber du  hast es ihr nicht gesagt.«
    »Noch nicht, aber es wird sie nicht überraschen. Sie hat es ja eigentlich prophezeit. Außerdem habe ich vielleicht eine Wohnung gefunden.«
    Tommy seufzte nur.
    »Ich bin schon zu lange hier«, sagte Griffin. »Wenn wir einen neuen Auftrag an Land ziehen, könnten wir uns ein kleines Büro mieten.«
    Später in jener Woche läuteten ihre Handys gleichzeitig. Auf dem Display von Griffins stand MOM , also nahm er den Anruf auf dem Balkon entgegen. Er war schon eine Woche in L.A. gewesen, als ihm eingefallen war, dass er versprochen

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