Diese alte Sehnsucht Roman
ein Zimmer zu nehmen. Weder Joy noch Laura hatten Einwände erhoben, und so hatte er ein Zimmer in einem kleinen Gasthof auf halbem Weg zur Spitze der Halbinsel reserviert.
Anfangs war es keine Trennung gewesen, jedenfalls nicht im juristischen Sinne. Nach Wellfleet waren sie übereingekommen, dass Griffin für den Sommer nach L.A. gehen und mit Tommy diesen Kabelfernsehfilm schreiben würde. Tommy hatte ein Gästezimmer und war froh, wenn sich jemand für ein paar Monate an der Miete beteiligte. Eine Zeit lang getrennt zu sein, würde Joy und Griffin guttun. In anderen Herzen wuchs die Liebe mit der Entfernung, warum also nicht auch bei ihnen? Tatsächlich hatten sie über das, was geschah, kaum gesprochen – in Wellfleet waren ihnen die Worte ausgegangen. Zu Hause angekommen, hatte er sich einfach an den Computer gesetzt und einen Flug nach L.A. gebucht.
»Und was sage ich unserer Tochter?«, fragte Joy, als er die Sachen, die er für den Sommer brauchen würde, in zwei große Koffer packte.
»Sag ihr, sobald wir das Buch abgeliefert haben, komme ich nach Hause.«
»Wir haben sie nie angelogen.«
»Ist das eine Lüge?«
Am nächsten Morgen fuhr er zum College, um die Arbeiten seiner Studenten zu Ende zu lesen und seinem akademischen Leben einen Anschein von Ordnung zu geben. Das College veranstaltete ein Sommerprogramm, und sein Büro würde vermutlich von einem Gastdozenten benutzt werden. Daher stellte er die Asche seines Vaters in die verschließbare unterste Schublade seines Aktenschranks und gelobte, sich darum zu kümmern, wenn er wieder zurück war. Als er später am Tag sein Gepäck in den Kofferraum lud, bemerkte Joy, dass die Urne verschwunden war. »In deinem Büro?«, fragte sie, als er ihr sagte, wo er die Urne deponiert hatte. »Warum dort?«
»Ich fände es nicht fair, wenn du sie jeden Tag sehen müsstest«, antwortete er und sah, dass sie erschöpft und traurig lächelte. Er verstand – wie hätte er es nicht verstehen können? –, dass diese Art von »Rücksichtnahme« der Kern ihres Problems war, aber er wusste nicht, wie er anders hätte handeln können.
In L.A. war ihnen die Arbeit nicht gut von der Hand gegangen. Von Anfang an war klar, dass Tommy und er das Projekt unterschiedlich beurteilten. »Hör zu«, sagte sein Freund, »du nimmst das zu ernst. Es ist im Grunde Welcome back, Kotter , nur dass es an einem College spielt. Die Studenten sind intelligenter als ihr Professor. Sie bringen ihm etwas bei – das gibt dann die Lacher.« Er hatte nie unterrichtet und schien nicht zu verstehen, wie willkürlich und künstlich dieses Konzept war, wie sehr es im Widerspruch zur Realität stand. Früher hatte der eine die Gedanken des anderen gelesen und seine Sätze zu Ende gesprochen, aber seitdem waren mehr als zehn Jahre vergangen, und jetzt gelang es ihnen nicht mehr. Schlimmer noch: Joy stand zwischen ihnen. Tommy schien nur zu wissen, dass sich ihre Ehe in einer Krise befand, und Griffin, der ein Kreuzverhör darüber, was zum Teufel eigentlich los war, erwartet hatte, war verwirrt, als dieses ausblieb. Es konnte bedeuten, dass Tommy ihn gar nicht zu fragen brauchte, weil Joy ihm die Situation in ihrem Telefonat aus Wellfleet bereits in allen Einzelheiten geschildert hatte, doch das Gegenteil – dass sein Freund weitgehend im Dunkeln tappte, aber ihre Privatsphäre respektierte –, war ebenso wahrscheinlich. Um es herauszufinden, hätte Griffin ihn fragen müssen, und das wollte er nicht.
Nach ein paar Wochen in L.A. sagte Tommy schließlich: »Willst du sie nicht anrufen?«
»Sie weiß ja, wie sie mich erreichen kann«, antwortete Griffin, und beide waren sie überrascht und aufrichtig abgestoßen von der Bitterkeit und dem kindischen Trotz in seiner Stimme. Er sagte sich, er habe sie nicht angerufen, weil er nicht wusste, was er erzählen sollte, doch die Wahrheit war hässlicher. Er wartete, wie ihm nun bewusst wurde, darauf, dass Joy blinzelte, und mit jedem Tag wurde offensichtlicher, dass sie das nicht tun würde. Das hatte sie ihm in Wellfleet ja gesagt: dass sein ständiges Unglück sie erschöpft hatte und dass es eine Erleichterung sein würde, nicht mehr damit konfrontiert zu sein. Na gut, wenn sie es so wollte.
Abgesehen davon, dass Griffins Ehe als Thema tabu war und der Arbeitsfluss immer wieder stockte, kamen Tommy und er gut miteinander aus. Sie waren beide von Natur aus taktvoll, und so traten sie einander nur selten zu nahe. Außerdem hatte ihre
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