Diese Dinge geschehen nicht einfach so
und Betonblöcken und hört immer wieder auf, mit riesigen Lücken zwischen den einzelnen Teilen, wie das Lächeln eines Sechsjährigen. Durch die Lücken kann man Ziegen sehen, die gemächlich Gras fressen, ohne jede Hektik, eine riesige Herde. Rechts von der Straße der steile Hügel, rote Erde, dicht bewachsen mit hohem grünem Gras und niedrigen Bäumen, links die flache Wiese, eine Meile breit, blühende Büsche, knorrige Kriechpflanzen, wildes Gras, das allmählich ausdünnt und in Sand übergeht. Dann der Strand. Er ist weiter weg, als man vom Auto aus denkt – man glaubt, man könnte einfach aus dem Wagen springen und in einer direkten Linie zum Wasser rennen, wie ein kleines Kind die Klamotten ausziehen, die Schuhe wegkicken und im Laufen mit Freudenschreien die Freiheit begrüßen. In Wirklichkeit wäre es aber gar nicht so einfach, man müsste sich hier durch das Gestrüpp kämpfen; aber wenn man den Dorfrand erreicht, ist es leichter, weil da die Fischer einen Pfad durch das Gras getreten haben.
Aber trotzdem lockt das Wasser, das sich flach und endlos bis zum Horizont erstreckt, die gleiche düstere Farbe wie die Wolken am Himmel. Es ist nicht gerade der schönste Strand der Welt, aber trotzdem hat er etwas, eine Art Ruhe, die den Betrachter besänftigt. Palmen, die sich in einem Winkel von fünfundvierzig Grad nach vorne neigen, als würden sie ihre Haare über dem Sand ausschütteln. Lange Holzboote in spektakulären Farben, geschmückt mit Girlanden aus schwarzem Seegras sowie mit weißen, blauen und grünen Netzen. In der Ferne kann man drei Frauen erkennen, die immer weiter gehen, Babys in ihren
lappas
, barfuß, alle drei nebeneinander, mit einem Hauch von Patriotismus in ihren Gewändern, eines golddurchsetzt, eines rot, eines leuchtend smaragdgrün.
Benson spricht niemanden direkt an, als er mit betont munterer Stimme eine kleine Rede hält: »Als Kweku nach Ghana gezogen ist, bin ich mit ihm hierhergekommen, um einen kleinen Neffen zu behandeln, der sich das Bein gebrochen hatte. Damals habe ich den Sargschreiner dort kennengelernt, der offenbar auch der Dorfarzt ist. Die Ga glauben, dass ein Sarg das Leben der Person, die darin liegt, widerspiegeln soll. Das heißt, der Sarg eines Fischers kann zum Beispiel aussehen wie ein Fisch und bei einem Zimmermann wie ein Hammer, vermute ich, oder bei einer Frau mit Schuhtick kann er aussehen wie ein Schuh. Die Särge sind manchmal regelrechte Kunstwerke.«
Fola bestätigt, was er sagt: »Das stimmt.«
»Wie heißt die Stadt?«, erkundigt sich Olu. (Benson antwortet.) »Kokrobité«, wiederholt Olu. »Klingt japanisch.« Enttäuscht.
»Mich erinnert es an Jamaika«, murmelt Ling. »Ochos Rios.«
Andere Palette
, denkt Kehinde.
Weniger Azurblau, mehr Rot
.
»Ein Dorf«, sagt Fola. »Es ist eigentlich keine Stadt, sondern ein Dorf.«
»Ich habe gar nicht gewusst, dass er am Meer aufgewachsen ist«, sagt Taiwo.
»Deshalb hatten wir immer ein Haus in der Nähe des Wassers. Der Hafen, der Fluss, in Brookline der See …« Fola verstummt, weil sie in der Ferne Bäume sieht. Die Boote gestrandet im Sand.
Alle schweigen wieder.
Die Straße führt mit Blick aufs Meer ins Dorf, wo man diesen Blick dann verliert – und mit ihm auch der Teer und die gerade Linie. Stattdessen wird aus der Straße ein unbefestigter, sich windender Weg, steinig und rau. Zwischen den Häusern hindurch. Die Hauser bestehen aus einem Raum, sind aus Holz, Backstein oder Beton, manche auch aus Lehm, meist mit Blechdächern, andere aus Stroh, Fenster ohne Glasscheiben, die Fensterläden aus Holz – zu einer Siedlung gruppiert, mit Wäscheleinen und einem Herd im Freien und Badekübeln und dazwischen Bäume. Über die Kübel gebeugt waschen Frauen Kleidung und kleine Kinder, die ihnen zuwinken, als sie vorbeifahren. Die Älteren sitzen im Schatten der Bäume vor uralten Fernsehern, im Halbkreis unter dem Blätterdach. Es gibt Friseure und Buden, wo man sich Zöpfe flechten lassen kann, gekennzeichnet mit großen Schildern, »Blood on the Cross Cut & Shave«, »Crown of Thorn Braids«, Hütten, in denen man Telefonkarten und Handyaufladekarten und Lebensmittel kaufen kann, die Ware gestapelt bis zur Decke, verschiedenfarbige Blöcke: gelb (Lipton, Maggi), grün (Milo, Wrigley), rot (Tomatenpaste, Corned Beef, Pulverkaffee).
Die Löcher in der Straße erschweren das Vorwärtskommen, wobei zwangsläufig der Eindruck entsteht, dass es am Fahrer liegt. Als der schließlich
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