Diese eine Nacht mit dir
wischen.
„Lass das“, meinte Rico nur. „Darum kümmert sich Mrs Wakefield.“
Gypsy wurde rot und setzte sich wieder. „Ich möchte nicht, dass sie wegen uns mehr Arbeit hat.“
„Nett von dir, aber Mrs Wakefield hat eine ganze Armee von Putzfrauen unter sich. Mach dir also keine Gedanken.“
Er lehnte sich gegen den Kühlschrank und betrachtete Lola. In seinem Blick lag so viel Zärtlichkeit, dass Gypsy der Atem stockte. Der Blick, den er ihr dann zuwarf, war wesentlich kühler. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“
Sie nickte und beobachtete Lola, die nach ihrer Tasse grapschte. Sie war jetzt in dem Alter, in dem sie alles allein machen wollte. „Danke, sehr gut.“
„Du siehst müde aus“, sagte er plötzlich. Als Gypsy ihn verblüfft ansah, wurde er rot bis an die Haarwurzeln. Er schien seine Worte zu bereuen.
„Ich habe ziemlich viel zu tun“, meinte sie achselzuckend und fühlte sich unter seinem Blick noch elender. Dann verbesserte sie sich. „Ich hatte viel zu tun.“
„Du warst auf der London University?“, fragte er. Anscheinend hatte er die Aufschrift auf ihrem T-Shirt gelesen.
Gypsy beeilte sich, Lola den Mund und die Hände abzuwischen. Die Kleine zappelte und wollte runter. Gypsy hatte keine Lust, etwas über sich zu erzählen. Trotzdem nickte sie. „Ich studierte Psychologie und spezialisierte mich dann auf Kinderpsychologie.“
„Wann hast du dein Examen gemacht?“
„Vor zwei Jahren.“ Das war gerade mal zwei Wochen bevor sie Rico getroffen hatte. Aber das erwähnte sie jetzt lieber nicht.
Rico ging zur Kaffeemaschine. „Ich muss morgen einige Sachen für Lola besorgen“, meinte Gypsy und betrachtete seinen breiten Rücken. „Windeln und so.“
Er drehte sich um. Die Tasse in der Hand, lehnte er an dem Rand der Arbeitsplatte. „Ich habe mir einen Tag frei genommen. In ungefähr einer Stunde wird mein Arzt hier sein, um die Abstriche zu nehmen. Danach können wir zusammen losgehen und alles besorgen, was du brauchst. Hier in der Nähe ist ein Park. Lola könnte da ein bisschen spielen. Auf jeden Fall müssen wir raus aus der Wohnung. Es kommen nämlich ein paar Leute und machen sie babysicher.“
Gypsy staunte über das Tempo, mit dem er seine Wohnung Lolas Bedürfnissen anpasste. Und er war auch nicht zur Arbeit gegangen. Im Gegenteil, er hatte sich sogar einen Tag frei genommen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater oder ihre alberne Stiefmutter je so etwas für sie getan hätten. Noch nicht einmal an dem Tag ihres Einzugs war einer von ihnen da gewesen. Die alte Haushälterin hatte Gypsy ihr Zimmer gezeigt und ihr befohlen, dort zu warten, bis es Essen gab.
Die Erinnerungen bedrückten sie. Um sie zu verdrängen, meinte sie betont herausfordernd: „Hast du Angst, wir könnten fortlaufen, wenn du uns den Rücken kehrst?“
Rico funkelte sie an, trank aber ruhig weiter seinen Kaffee. „Sagen wir mal so“, meinte er gedehnt, „von Vertrauen kann zwischen uns ja wohl kaum die Rede sein.“
Darauf wusste Gypsy nichts zu sagen. Sie wollte ihm auch nicht zeigen, dass sein Benehmen sie überraschte. „Wenn ich Lola gewaschen und ihre Windeln gewechselt habe, können wir gehen.“
Rico stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch. Gypsy hätte schwören können, dass für einen Moment ein verletzlicher Ausdruck über sein Gesicht huschte.
„Gut“, meinte er kurz angebunden und sah, wie sich Gypsys Miene verschloss.
Behutsam hob sie Lola aus ihrem Sitz. Mit einem Mal hätte Rico ihr gerne seine Hilfe angeboten. Aber er riss sich zusammen. Er musste daran denken, dass diese Frau ihm nie freiwillig von seiner Tochter erzählt hätte. Ohne diese zufällige Begegnung im Restaurant würde er heute noch nichts von Lola wissen.
Etwas später an diesem Tag ging Gypsy in ihr Schlafzimmer und ließ sich erschöpft aufs Bett fallen. Sie war völlig durcheinander. Am Morgen hatte der freundliche Arzt mit den verschmitzt funkelnden Augen einen Abstrich von Lola und Rico genommen. Warm eingepackt waren sie danach alle drei hinaus in die Kälte gegangen. Rico schien fest entschlossen, sie keinen Moment lang aus den Augen zu lassen.
Gypsy erledigte ihre Einkäufe, und zu Ricos sichtlichem Kummer bestand sie darauf, alles selbst zu bezahlen. Dann waren sie in einen Park gegangen. Rico hatte Gypsy kaum beachtet und nur mit Lola gespielt, die sich glücklich in der Aufmerksamkeit ihres neuen Freundes sonnte. Ricos Nähe brachte Gypsy völlig durcheinander. Aber
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