Diese eine Nacht mit dir
sich zu nichts verpflichtet. Zumindest war das so bis zu jener gewissen Nacht, die alles auf den Kopf stellte.
Keine Frau hatte je den Wunsch in ihm geweckt, sie gleichzeitig zu küssen und zu erwürgen. Bei Gypsy verspürte er diesen Wunsch. Sie zu küssen würde sicher sein Verlangen nach ihr etwas dämpfen, aber er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie sie sich wehren würde. Sie verkrampfte sich ja schon, wenn er bloß in ihre Nähe kam! Und doch war da etwas zwischen ihnen, das spürte er genau. Es knisterte nur so vor Erotik, wenn sie beisammen waren.
Inzwischen war er regelrecht besessen davon, dieser rebellischen Frau Herr zu werden. Auch im Bett. Und da würde es sicher den meisten Spaß machen. Zum ersten Mal, seit er denken konnte, spielte seine Arbeit nicht die größte Rolle in seinem Leben. Wann hatte er sich in der Vergangenheit schon einmal Zeit genommen, einen Einkaufsbummel zu machen?
Wie sollte er Gypsy erklären, dass er Lola all das geben wollte, was ihm selbst bis jetzt verweigert worden war? Durch ihre wütende Reaktion auf seinen spontanen Versuch, das Kind zu verwöhnen, fühlte er sich bloßgestellt. Bloßgestellt und seltsam schwach. Seit Langem war es niemandem mehr gelungen, dieses Gefühl in ihm zu wecken. Das gefiel ihm nicht.
Auch wenn Gypsy seinen Reichtum aus irgendwelchen moralischen Gründen ablehnte – irgendetwas musste sie sich doch wünschen! Was für ein Aufhebens sie gemacht hatte! Alles wollte sie unbedingt selbst bezahlen. Aber er musste nur ihre schwache Stelle herausfinden, dann würde er sie manipulieren können. Das Wichtigste im Augenblick war, dass er sie und Lola so fest wie möglich an sich band. In naher Zukunft würden die beiden jedenfalls nirgendwo hingehen.
Kochend vor Wut ging Gypsy am folgenden Abend an dem riesigen Fenster des Salons auf und ab und starrte hinaus. In der Wohnung war es still. Mrs Wakefield war bereits nach Hause gegangen, und Lola schlief.
Am Morgen hatte Gypsy nach dem Aufwachen eine kurze Notiz von Rico gefunden.
Bin den ganzen Tag im Büro. Ruf mich an, wenn Du etwas brauchst.
Er hatte eine Nummer notiert. Obwohl sie unwillkürlich erleichtert aufseufzte, spürte sie gleichzeitig so etwas wie Enttäuschung. Seltsam.
Später packte sie dann die Kleidung in Tüten, die sie und Lola ihrer Meinung nach nicht brauchten. Es war weit mehr als die Hälfte gewesen. Als sie die letzten Tüten in die Diele stellte, entdeckte sie die Boulevardzeitungen.
Mrs Wakefield hatte Gipsy ihre Schwäche für solche Blätter gestanden, und dass Rico sie eigens für sie abonnierte. Ein Bild weckte Gypsys Aufmerksamkeit. Sie nahm die obere Zeitung, schlug sie auf und sah ein Foto von Rico, sich selbst und Lola. Es war am Tag zuvor im Park aufgenommen.
Rico hielt Lola auf dem Arm, sie selbst stand daneben und lächelte. An das Lächeln konnte sie sich gar nicht erinnern. Es kam ihr jetzt wie Verrat vor. Industriemagnat Rico und seine heimliche Familie!, verkündete die reißerische Überschrift.
Wutschnaubend versuchte sie sofort, Rico anzurufen. Aber sie scheiterte an der Sekretärin, die sie gekonnt abwimmelte. „Bedaure, ich kann Mr Christofides jetzt unmöglich stören. Soll ich ihm eine Nachricht hinterlassen?“
„Sagen Sie ihm, seine heimliche Familie möchte ihn gerne sprechen“, hatte Gypsy gezischt.
Er hatte es geplant. Er musste es geplant haben. Die Öffentlichkeit sollte erfahren, dass er ein Kind hatte, damit sie keinen Schritt mehr machen konnte, ohne von einer Meute von Reportern verfolgt zu werden!
Und als Gypsy den Portier anrief, bestätigte er ihr tatsächlich, dass draußen vor der Tür eine Unmenge von Fotografen lauerte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte sie das Haus verlassen!
In diesem Moment hörte sie die Wohnungstür gehen. Die Hände zu Fäusten geballt, drehte sie sich um und erwartete Rico. Ihr Herz raste. Seine hohe Gestalt tauchte im Türrahmen auf. Müde und erschöpft zerrte er an seiner Krawatte. Gypsy unterdrückte das aufsteigende Mitgefühl.
„Danke schön auch, dass du mich zurückgerufen hast“, meinte sie sarkastisch.
„Ich habe die Nachricht erhalten“, erwiderte er. Sein Gesicht zeigte keine Regung.
„Weißt du eigentlich, dass ich und Lola mitten in diese Meute von Fotografen geraten wären, hätte ich nicht vorher das Bild in der Zeitung gesehen?“, fragte sie außer sich vor Zorn. „Wir konnten den ganzen Tag nicht aus dem Haus. Und mit einem Kleinkind den ganzen Tag in einer
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