Diese eine Nacht mit dir
Wohnung eingesperrt zu sein, ist nicht sehr angenehm. Selbst wenn es eine große Wohnung ist.“
Rico trat in den Salon, warf die Krawatte aufs Sofa und öffnete den obersten Hemdknopf.
„Ich hörte, dass die Boulevardreporter Fotos gemacht hätten. Vor dem Haus warteten Bodyguards. Sie hätten dich beschützt.“
Gypsy warf die Hände in die Luft. „Hätte ich das vielleicht ahnen sollen? Und wozu sollen die Bodyguards gut sein, wenn eine Unmenge Paparazzi Bilder von mir und meinem Kind machen?“
Er trat zu ihr. Gypsy sah den warmen Schimmer seiner olivfarbenen Haut, das gut geschnittene Gesicht mit der leicht gebogenen Nase. Trotz seines weltmännischen Äußeren strahlte er etwas Gefährliches aus.
„Ich konnte dich nicht anrufen, weil ich in einer komplizierten Verhandlung steckte“, meinte er verstimmt.
Gypsy lächelte bitter. „Davon bin ich überzeugt. Nichts ist so wichtig wie Verhandlungen .“
In seinen Augen blitzte es böse auf, aber er sagte nur: „Ich wusste dich und Lola in Sicherheit. Wenn ich auch nur eine Sekunde lang geglaubt hätte, du würdest wegen etwas Ernstem anrufen …“
Gypsy schnappte nach Luft. „Das war etwas Ernstes! Unsere Sicherheit war bedroht, und wir waren gezwungen, in der Wohnung zu bleiben, als wären wir auf der Flucht. Gar nicht davon zu reden, dass unsere Gesichter jetzt in allen Boulevardblättern sind und sich jeder fragt, wer wohl diese heimliche Familie ist.“
Gypsy packte das blanke Entsetzen bei dem Gedanken, wie die Reporter jetzt überall herumschnüffeln und alles über sie herausfinden würden. Und Rico könnte entdecken, wer ihr Vater war und was sie nach dessen Tod getan hatte. Er könnte die Information gegen sie verwenden und sie als schlechte Mutter darstellen. Und falls er je etwas von der psychischen Erkrankung ihrer Mutter erfuhr …
Obwohl die Angst sie fast umbrachte, bot sie Rico die Stirn. „Morgen früh werde ich gehen. Und Lola werde ich mitnehmen, zurück in meine Wohnung. Deine Pläne funktionieren so nicht. Als Lolas Mutter habe ich Rechte. Du wirst Gelegenheit bekommen, sie zu sehen. Aber ich lasse nicht zu, dass du unser Leben völlig umkrempelst.“
Sie wollte an ihm vorbei, aber er packte sie am Arm und hielt sie zurück.
„Lass mich los!“
Sein Mund war eine harte Linie. „Du wirst nirgendwo hingehen, Gypsy. Noch haben wir nicht das Untersuchungsergebnis. Der Mob draußen wird dir folgen und dich jagen, bis sie auch noch die letzte Kleinigkeit aus deinem Leben wissen.“
Er sprach aus, wovor sie sich fürchtete. Verbitterung ließ sie blind werden. „Das war es doch, was du plantest, oder? Ich sollte glauben, du wüsstest nichts von den Fotos. Bist du vielleicht mit einem dieser schmierigen Redakteure befreundet? Bekommt er von dir hin und wieder eine gute Story? Eine, die dir in den Kram passt?“
Genau das hatte ihr Vater nämlich gerne gemacht – die Medien nach Belieben manipuliert.
„Nein.“ Rico klang wütend und verletzt. „Natürlich nicht. Die Paparazzi sind mir immer auf den Fersen. Ich gebe zu, ich bemerkte gestern, dass sie hier herumlungerten und – na ja, dass sie ein paar Fotos machen würden, kümmerte mich nicht besonders. Aber dieses Interesse habe ich wirklich nicht erwartet.“
Seine Hand auf ihrem Arm weckte die sonderbarsten Gefühle in ihr und ließ sie fast vergessen, warum sie so wütend war. Er war so nah – viel zu nah. Sie versuchte, ihren Arm frei zu bekommen, aber er hielt sie nur noch fester. Gypsy spürte Panik in sich aufsteigen.
„Lass mich los, Rico. Du hattest kein Recht, uns so bloßzustellen. Und es machte dir nichts aus, dass Fotos von uns gemacht wurden, denn du wusstest, dass es unsere Bewegungsfreiheit einschränken würde. Kein Wunder, dass du heute Morgen wieder ins Büro gingst. Ich werde Lola morgen mit mir nehmen. Und wenn es sein muss, werden wir London verlassen.“
Rico wirbelte sie so heftig herum, dass sie die Balance verlor. Sie fiel nur nicht hin, weil er sie an beiden Armen festhielt. Langsam schüttelte er den Kopf. Er ließ den Blick über ihr Gesicht gleiten, und Gypsys Lippen zitterten verdächtig, als er ihn lange auf ihrem Mund verweiln ließ.
Bestürzt stellte sie fest, dass sie gar nicht mehr so recht wusste, warum sie und Lola unbedingt fortmussten. Die Zeit war zurückgedreht. Sie erlebte wieder den Moment, als sie Rico zum ersten Mal in die Augen gesehen hatte. Sie hatte gedacht, er könnte unmöglich sie mit diesem Blick
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