Diese Lippen muss man küssen
einzulassen, bei der sie ohnehin den Kürzeren ziehen würde, verwirrt, wie sie war.
Natürlich folgte er ihr.
„Vielleicht solltest du das nächste Mal Sheila oder Sadie Bescheid sagen, wenn es Probleme mit dem Baby gibt.“ Kaum hatte sie das gesagt, wurde ihr das Herz schwer. Denn die Vorstellung, die Kleine nicht mehr sehen und nicht mehr in den Armen halten zu können, war bitter. Aber schon um ihrer selbst willen musste sie den Kontakt mit Sunnie und ihrem leidigen Onkel vermeiden. Denn wenn sie mit den beiden zusammen war, wurde Abby immer wieder grausam daran erinnert, dass sie das, wonach sie sich am meisten sehnte, nie haben würde, – eine Familie.
Zu ihrer Überraschung widersprach Brad nicht, sondern sah sie nur ernst an. „Mal sehen“, sagte er und zuckte mit den Schultern.
Genauer würde er sich wohl im Moment nicht ausdrücken. Auch gut. „Wir sehen uns dann auf dem Weihnachtsball.“ Abby ging zur Haustür und öffnete sie.
„Oh, bestimmt vorher noch mal.“ In diesem Augenblick meldete sich Sunnie. „Da ruft jemand nach mir.“ Brad lächelte sie an, bevor er sich umwandte. „Bis später.“
Abby sah ihm hinterher, dann trat sie aus dem Haus und zog die Tür leise hinter sich zu. Auf dem Weg zu ihrem Wagen fühlte sie sich wie an dem berüchtigten „Morgen danach“. Als würde sie peinlich berührt vor einer unangenehmen Situation davonschleichen. Aber warum? Außer dem heißen Kuss vorhin war nichts passiert. Und auch der würde sich nicht wiederholen. Nie.
Sie war nur über Nacht geblieben, um Sunnie zu helfen, den leichten Fieberanfall nach der Impfung durchzustehen. Das war alles. Dass Brad sie nicht aufgeweckt hatte und sie deshalb nicht hatte nach Hause fahren können, war schließlich nicht ihre Schuld. Und auch der Kuss heute Morgen war von ihm ausgegangen. Zwar hatte sie sich nicht wirklich gewehrt, aber das war in diesem Zusammenhang unerheblich. Er hatte sie damit so überrascht, dass sie eben eine gewisse Zeit gebraucht hatte, um sich zu fassen.
Zufrieden mit der Erklärung, die sie sich zurechtgelegt hatte, stieg sie in ihren Wagen und startete den Motor. Auf dem Weg zu ihrer Ranch plante sie den Tagesablauf: Zunächst sehnte sie sich nach einer Dusche. Dann würde sie erst mit Sadie das Spielzeug aussortieren und sie danach zum Lunch einladen. Sie musste unbedingt mit ihr reden und ihr erklären, wie es zu der Umarmung gekommen war. Ganz bestimmt würde ihre beste Freundin sie verstehen. Und als Brads Schwester kannte sie ihren Bruder nur allzu gut und wusste, wie schwer der Mann von etwas abzubringen war.
Leise seufzend bog sie in die Privatstraße ein, die zu dem großen Ranchhaus führte, das Richard und sie gemeinsam erworben hatten. Sie sollte sich nichts vormachen. So unschuldig war sie an der ganzen Sache nun auch wieder nicht. Selbst wenn sie sich noch so sehr einzureden versuchte, dass sie gar nicht anders hätte reagieren können.
Ein paar Stunden später saßen sich die beiden Freundinnen im Royal Diner gegenüber, und Abby wartete leicht nervös auf die Gelegenheit, ihr Verhalten vom Morgen erklären zu können, das Sadie sicher schockiert hatte. Zu Hause hatte sie sich sehr genau überlegt, was sie sagen wollte, und dennoch erwischte Sadie sie kalt, als sie das Thema ganz direkt ansprach: „Du wolltest mich doch bestimmt zum Lunch treffen, weil du mit mir über den Kuss sprechen wolltest, oder?“
„Äh … ja, das auch. Glaub mir, es gibt eine sehr einfache Erklärung für das, was du gesehen hast.“
„Das ist wohl immer so“, meinte Sadie lächelnd.
„Dein Bruder hatte Schuld!“, stieß Abby hervor, bevor sie richtig begriff, was sie da sagte. So hatte sie sich das Gespräch nicht vorgestellt. Sie hatte ruhig und gefasst bleiben wollen. Schließlich war sie keine Minderjährige mehr, die bei etwas Verbotenem ertappt worden war.
Sadie nickte verständnisvoll. „Ich glaube dir sofort, dass Brad angefangen hat. Aber warum hast du dich darauf eingelassen?“
„Wir haben uns gestritten und …“
„Und er hat dich geküsst, um dich zum Schweigen zu bringen.“ Sadie schüttelte lachend den Kopf. „Das kann ich mir gut vorstellen. Aber ich verstehe nicht, warum du mitgemacht hast.“
Glücklicherweise kam in diesem Augenblick die Kellnerin, um ihre Bestellung aufzunehmen. So hatte Abby Zeit, sich ihre Antwort zurechtzulegen.
„Was darf ich Ihnen bringen, meine Damen? Der Koch hat heute sein berühmtes Chili gekocht. Möchten Sie das
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