Diese Lippen muss man küssen
tun wollen: Sie hatte sich in Brad Price verliebt – und das erschreckte sie zu Tode. Seltsam, sie hatte keine Angst, als Präsidentin einen traditionsreichen Club zu führen. Aber vor der Liebe fürchtete sie sich.
Panik überfiel sie. Wenn sie Brad nun ebenso verlieren würde wie ihren Mann und das Baby, das sie hatte adoptieren wollen? Ihr schien es, als wäre ihr bisher alles, was sie wirklich geliebt hatte, schon bald wieder genommen worden. Sie musste allein sein, brauchte Zeit, um über das nachzudenken, was sie so sehr ängstigte. Sie musste herausfinden, was mit ihr passiert war und warum ihre Gefühle für Brad so viel intensiver waren als alles, was sie für Richard empfunden hatte.
Als Brad sie zurück zu ihrem Tisch führte, bemerkte er, dass Abby abwesend vor sich hinstarrte. „Alles in Ordnung?“, fragte er leise.
Sie sah ihn ein paar Sekunden lang schweigend an, dann nickte sie. „Ja … ja …“
Doch sie konnte ihn nicht täuschen. „Das glaube ich nicht. Irgendetwas ist mit dir. Was hat dich erschreckt?“
Sie versuchte zu lächeln, was ihr allerdings nicht besonders gut gelang. „Nichts. Ich bin nur ein bisschen müde. Das ist alles.“
Das war gelogen. Er wusste, wie sie aussah, wenn sie müde war. Jetzt wirkte sie eher … verzweifelt. Sie setzten sich, und immer wieder blickte er sie von der Seite her nachdenklich an. Was war nur los? Warum sah sie plötzlich so aus, als säße sie in einer Falle, aus der sie keinen Ausweg wusste? Hatte sie jemand schief angesehen? Oder hatte sie zufällig mitbekommen, wie jemand hässlich über sie redete? Er würde es herausfinden, das schwor Brad sich, und dann …
Unglücklicherweise trat Mitch Hayward in diesem Augenblick ans Mikrofon, sodass Brad nicht mehr weiter nachhaken konnte, was Abby so belastete. „Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich glaube, es ist an der Zeit zu verraten, wer den Texas Cattleman’s Club in den nächsten Jahren führen wird.“ Alle klatschten, bis Mitch die Hand hob. „Die beiden Kandidaten haben die Stimmen im Verhältnis vierzig zu sechzig unter sich aufgeteilt. Das ist ein sehr viel engeres Ergebnis, als wir es bei den letzten Wahlen zu verzeichnen hatten.“
Brad blendete alles andere aus und konzentrierte sich auf die Frau, die neben ihm saß. Abby war die schönste und aufregendste Frau, der er je begegnet war. Das lange kastanienbraune Haar hatte sie im Nacken zu einem lockeren Knoten zusammengefasst, und mit den kleinen diamantenen Ohrringen wirkte sie elegant, raffiniert und unerhört sexy. Den ganzen Abend hatte er Schwierigkeiten, seine Bewunderung und sein Verlangen nicht allzu offen zu zeigen, damit nicht gleich jeder wusste, was mit ihm los war.
Dennoch, er musste sie einfach berühren. Vorsichtig legte er ihr die Hand auf die Schulter und strich ihren Rücken hinab leicht über den schwarzen glatten Stoff, der am Oberkörper eng anlag. Ab der Taille ging er in einen schwingenden Rock über, der jede ihrer Bewegungen mitmachte. Schon das erregte ihn. Aber als er dann beim Tanzen ihren nackten Rücken unter den Händen gespürt hatte, war das Verlangen übermächtig geworden. Denn nur zu genau erinnerte er sich an das Gefühl von gestern Nacht, als sie nackt in seinen Armen gelegen hatte, erhitzt und gleichzeitig verwirrt durch das Begehren, das er in ihr geweckt hatte.
„… Bradford Price“, verkündete Mitch in diesem Moment. Brad hob den Kopf. Alle wandten sich zu ihm um und klatschten.
Er hatte sich so sehr auf Abby konzentriert, dass er ein paar Sekunden brauchte, bevor er begriff, was das bedeutete. Er war der neue Präsident des Texas Cattleman’s Club. Doch dieser Sieg hinterließ ein schales Gefühl. Er hatte gewonnen – aber Abby hatte verloren.
„Herzlichen Glückwunsch“, gratulierte sie leise und streckte ihm die Hand entgegen. Doch er übersah diese Geste und nahm Abby fest in die Arme. „Es tut mir so leid, Darlin’“, flüsterte er. „Ich weiß, wie gern du der erste weibliche Präsident des Clubs geworden wärst.“
„Keine Sorge, es macht mir nichts aus.“ Vorsichtig löste sie sich von ihm. „Du hast nach einem fairen Wahlkampf gewonnen. Und jetzt solltest du lieber nach vorn gehen und deinen Wählern danken.“
Sie hatte recht, das erwartete man von ihm. Aber es fiel ihm schwer, sich dafür zu bedanken, dass man ihm das Vertrauen ausgesprochen hatte und nicht Abby. Viel lieber würde er hier neben ihr sitzen bleiben und herausfinden, was sie bedrückte.
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