Diese Nacht darf niemals enden
Guy lebte. Die er nur kurz verlassen hatte, um sich in Alexas bescheidenem bürgerlichen Leben das zu holen, was er wollte. Danach war er wieder in seine Welt zurückgekehrt.
Zusammen mit seiner Frau.
Das musste sie sich immer vor Augen halten. An mehr brauchte sie nicht zu denken.
Sie wurde ins Haus gebeten. Offensichtlich hatte man sie erwartet. Die beeindruckende Eingangshalle mit den hohen Spiegeln und den Kristalllüstern raubte Alexa den Atem, aber sie ließ sich nichts anmerken. Ihre Miene zeigte keine Regung, als sie dem Diener über einen langen Korridor folgte, der offensichtlich in einen Seitenflügel des Schlosses führte. Die Absätze ihrer Schuhe klackten auf dem Parkettboden und hallten an den hohen Wänden wider. Vor großen Flügeltüren am Ende des Gangs blieb der Diener stehen und klopfte diskret an.
Ein knappes „ Entrez “ ertönte, der Diener öffnete die Türen, und Alexa trat ein.
Guy saß hinter einem riesigen Schreibtisch, und trotz all ihrer entschiedenen Vorsätze fühlte Alexa die Erschütterung wie eine Welle über sich schwappen. In seinem Gesicht lag eine solche Verzweiflung, seine Augen wirkten so leer, wie tot. Der unerwartete Schmerz durchfuhr Alexa scharf wie ein Messer. Als Guy aufsah, veränderte sich seine Miene. Sie wurde zu einer Maske, völlig reglos. Langsam erhob er sich. Hinter sich hörte Alexa, wie die großen Türen mit einem leisen Klicken wieder ins Schloss gezogen wurden.
„Alexa.“
Nur ihr Name, mehr nicht. Schon einmal hatte er nur ihren Namen gesagt, damals in dem Cottage in Devon. Doch da hatte es anders geklungen und war mit aufgewühlten Emotionen angefüllt gewesen. Jetzt sprach er ihn völlig tonlos aus.
Sie lenkte ihren Blick zu ihm hin, weigerte sich aber, ihn wirklich zu sehen. Weigerte sich, die große Gestalt in dem perfekt sitzenden Anzug wahrzunehmen … die breiten Schultern, die schmalen Hüften, das schöne Gesicht mit den smaragdgrünen Augen.
Sie weigerte sich, darin zu versinken.
Ihr Gesicht blieb ebenso reglos wie seines, auch wenn ihr Magen sich wieder heftig zusammenzog. Ihre Lungen hatten Mühe, Sauerstoff aufzunehmen. Sie ignorierte es. Es war obligatorisch, es zu ignorieren.
„Mir wurde gesagt, du wolltest mit mir sprechen.“ Ihre Worte klangen brüsk.
„Von wem?“, verlangte er zu wissen. Dass seine Stimme sich rau anhörte, interessierte sie nicht. Er interessierte sie nicht. Nicht mehr. Sie hatte ihn verloren. Für immer. Aber auch das war ihr gleich.
„Von deiner Mutter.“
Sein Erstaunen ließ die steinerne Maske schwinden. „Meine Mutter?“
„Ja, heute Nachmittag. Sie bat mich, sie aufzusuchen, und teilte mir mit, dass du mit mir reden möchtest. Sie sagte, es sei wichtig.“
Er schien um Beherrschung zu kämpfen. „Es fällt mir schwer, das zu glauben“, sagte er schließlich mit Bedacht. Sein Blick bohrte sich in ihre Augen und brachte ihre Haltung ins Wanken. „Beim letzten Mal hast du … bildlich deutlich gemacht, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“ Seine Augen schnitten wie Messer in ihr Fleisch. „Ich weiß, was du von mir denkst, Alexa. Du hättest es nicht anschaulicher und überzeugender ausdrücken können. Jeder Pinselstrich jenes Bildnisses auf der Staffelei hat es mir gezeigt.“ Seine Augen wurden dunkel wie ein undurchdringlicher Wald. „Es hat mir deinen Hass gezeigt. Ich hätte meiner Mutter davon erzählen sollen. Dann hätte sie sich die Mühe sparen können, dich herzubringen.“
„Sie sagte, es sei wichtig für deine Ehe. Nur deshalb bin ich gekommen.“
„Meine Ehe …“ Ungläubig zog er die Brauen noch enger zusammen. „Meine Mutter hat mit dir über meine Ehe gesprochen?“
Ein Kloß saß ihr in der Kehle, sie musste sich räuspern. „Es war nicht meine Idee, glaub mir. Sie hat das Thema aufgebracht. Und sie sagte mir, es sei wichtig, dass ich herkomme und mit dir rede. Also bin ich jetzt hier. Ich kann nur annehmen …“ Sie presste die Lippen zusammen, um sagen zu können, was sie zu sagen hatte. „Ich nehme an, deine Frau“, sie zwang sich, das Wort ohne die geringste Emotion auszusprechen, auch wenn der Knoten in ihrem Magen immer härter wurde, „möchte von mir persönlich hören, dass ich keine Bedrohung für sie darstelle, sondern dein unmoralisches Angebot abgelehnt habe.“
„Meine Frau“, wiederholte Guy tonlos.
„Genau.“ Alexa holte angestrengt Luft. „Ich weiß nicht, ob sie je glücklich sein wird, aber wenn ich ihr irgendwie
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