Diese Nacht darf niemals enden
Privatflugplatz bestellte und das Flugzeug sie in eine Weltmetropole, zu einer italienischen Villa, einer Skihütte in den Alpen oder einem Penthouse in Monaco brachte. Ganz gleich, wie lang oder flüchtig der Aufenthalt auch sein mochte.
War es unvernünftig, übereilt und unüberlegt von ihr? Natürlich war es das. Sie wusste es. Wusste es mit dem Teil von sich selbst, der noch gesunden Menschenverstand besaß und den anderen Teil von ihr eigentlich zähmen und kontrollieren müsste. Diesen anderen Teil beherrschten intensive Emotionen, Gedanken und Gefühlen, die als Inspiration für Alexas Leben und ihre Kunst unentbehrlich waren. Und doch wirkte ihr Erscheinungsbild nach außen hin immer kühl und gefasst.
Das war das Bild, das sie der Welt zeigte. Ein Bild, das sie ganz bewusst inszenierte. Nur wenige ihrer Freunde, die meisten aus der Kunstwelt, wussten, dass der äußere Eindruck von gelassener Ruhe lediglich dazu diente, ihr ungezähmtes und intensives Innenleben zu kaschieren. Ein Innenleben, das ein Ventil in den Bildern fand, die sie für sich selbst malte. Ansonsten sah jeder nur die stille Schönheit in ihr. Eine englische Rose mit zarter Haut und hellem Haar. Die wenigsten kannten das Feuer, das tief in ihr brannte.
Von Eltern erzogen, die ein überaus geordnetes Leben führten, war Alexa von Anfang an klar gewesen, wie sehr es die beiden überrascht haben musste, dass ihre einzige Tochter eine außergewöhnliche künstlerische Begabung zeigte, die sich schon zu Beginn der Schulzeit offenbarte. Nicht, dass sie ihr den Weg versperrt hätten. Aber sie schienen immer leicht perplex, dass ausgerechnet ihre Tochter sich der Kunst so sehr verschrieben hatte. Denn Kunst verbanden die beiden mit stürmischen Leidenschaften, extremen Emotionen und vor allem mit dem Hang, ein ungeordnetes und eher chaotisches Leben zu führen.
Vielleicht achtete Alexa darum so streng darauf, das genaue Gegenteil einer exaltierten Künstlerin zu sein – um ihren Eltern einen Gefallen zu tun. Sie führte ein ruhiges und geordnetes Leben und sparte sich die Emotionalität für ihre Kunst auf. Aber sie wusste auch, dass es ihr grundsätzliches Naturell war, sich ruhig und gelassen, ja reserviert, zu verhalten. Seit ihrem Examen an der Kunstakademie führte sie ihr professionelles Leben ebenso routiniert und geregelt wie ihr Privatleben.
Was die Männer betraf … Angezogen von ihrer porzellanen Schönheit kamen und gingen sie. Vor allem jedoch Letzteres, denn bislang war unter ihnen keiner gewesen, der Alexa etwas Besonderes bedeutet hätte. Auf diesem Gebiet hielt sie sich also ebenfalls zurück. Sie genoss die Gesellschaft einiger weniger Freunde, mit denen sie ins Theater, zu Konzerten und auf Aufstellungen ging. Ihr Herz jedoch hatte bisher niemand wirklich berührt, und auch körperlich war es niemandem gelungen, die Sinnlichkeit zu erwecken, die tief in ihr schlummerte.
Niemandem außer dem Mann, der jetzt in der Tür stand. Der Mann, bei dessen Anblick ihr jedes Mal der Atem stockte und ihr Puls in die Höhe schnellte.
So wie jetzt.
Er stand einfach da und dominierte mit seiner Präsenz den Raum, so wie er auch ihre Gedanken dominierte. Ein Meter achtzig pure Männlichkeit, gekleidet in einen makellos sitzenden, hellgrauen Anzug, ausgestattet mit der geschmeidigen Eleganz seines aristokratischen Erbes. Niemand würde Guy de Rochemont für einen Engländer halten. Dabei war sein französischer Nachname nur das zufällige Erbe seines komplizierten multinationalen Hintergrunds. Und nicht zuletzt dieser familiäre Hintergrund hatte das Bankhaus Rochemont-Lorenz zum Inbegriff für Reichtum, Prestige und Macht gemacht.
Guys Augen mit den ungewöhnlich langen Wimpern, die Alexa mit einem einzigen Blick in ein vor Lust machtloses Bündel verwandeln konnten, ruhten auf ihr. Wie immer fühlte sie die Kraft dieser Augen. Doch zum ersten Mal spürte sie auch noch etwas anderes. Etwas störte das Gleichgewicht der enormen Spannung, die zwischen ihnen herrschte.
Alexa wartete ab. Die Kaffeekanne noch immer in der Hand sah sie zu ihm, wie er weiter in die sonnendurchflutete Küche hineinkam. Doch plötzlich wirkte das Sonnenlicht gedämpfter und nicht mehr so warm. Eine Sekunde, so lang wie eine Ewigkeit, verging. Dabei dauerte sie nicht länger als ein Herzschlag.
„Ich muss dir etwas sagen.“ Guys Akzent war kaum hörbar, dennoch schwang eine schwache Andeutung all der Sprachen mit, mit denen er inmitten seiner
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