Diese Sehnsucht in meinem Herzen
sollte er jetzt tun? Wer würde ihn jetzt noch einstellen, in seinem Alter? Das Haus musste er verkaufen, aber das Geld würde nicht lange reichen.
Schließlich fielen ihm seine beiden undankbaren Söhne wieder ein, die sich einfach so aus dem Staub gemacht hatten, ohne ihrem alten Herrn zurückzugeben, was er für sie geopfert hatte. Dafür war es jetzt höchste Zeit.
Es war ziemlich leicht, die beiden auszumachen. Er ging einfach in die nächste Bücherei, wo sich eine nette junge Studentin mit einem knackigen Körper über ihn beugte, um ihm eine halbe Stunde lang zu erklären, wie das Internet funktionierte. Er erzählte ihr, dass er auf der Suche nach seinen Söhnen war, die vor vielen Jahren einfach so von zu Hause weggelaufen waren. Die junge Frau hatte Tränen in den Augen, als er ihr die Geschichte erzählte. Kleines Dummchen. Bald schon hatte Jonathan alle Informationen, die er brauchte.
Offenbar hatten seine beiden idiotischen Söhne ihren Nachnamen aufgegeben und stattdessen den Geburtsnamen ihrer Mutter angenommen: Bennington.
Seinen älteren Sohn Derek konnte Jonathan nicht aufspüren, wohl aber Nate.
Das kleine Miststück war offenbar Jurist geworden, sogar stellvertretender Bezirksstaatsanwalt in Boston. Jonathan fand seinen Namen in einigen Artikeln, die in lobenden Worten schilderten, dass er mal wieder irgendeinen Verbrecher hinter Schloss und Riegel gebracht hatte.
Das war Jonathan sehr recht, denn Anwälte verdienten eine ganze Menge Geld.
Nun musste Jonathan seinen Sohn bloß noch zu fassen bekommen.
Schließlich hatte Jonathan einen Bus nach Boston genommen, dort zunächst ein billiges Hotel gebucht und schließlich diese heruntergekommene Wohnung gefunden. Aber dort würde er ja ohnehin nicht lange bleiben – nur so lange, bis er sich seinen Sohn geschnappt und ihm ein bisschen Bares aus den Rippen geleiert hatte.
8. KAPITEL
Der Regen prasselte unaufhörlich gegen die Fensterscheibe, durch die Josey gedankenverloren nach draußen schaute. Gerade hatte sie eine Nachhilfestunde beendet, bei der sie sich selbst genauso unkonzentriert vorgekommen war wie ihr unbändiger kleiner Schüler. In den Sommerferien unterrichtete Josey oft Kinder, die Schwierigkeiten in der Schule hatten, und diese Arbeit machte ihr normalerweise Freude. Bloß heute hatte sie sich einfach nicht konzentrieren können. Die ganze Zeit musste sie an Nate denken.
Am letzten Schultag, Freitag vor einer Woche, hatte sie Ally versprochen, dass sie Nate ihre Gefühle gestehen würde. Davon hatte die Freundin sie schließlich überzeugt. Seitdem versuchte Josey, Nate zu erreichen – vergeblich. Selbst am Wochenende schien er nie zu Hause zu sein, und immer, wenn sie im Büro anrief, steckte er gerade in einer Verhandlung. Dazu kam, dass er selbst sich auch nicht bei ihr gemeldet hatte.
Nun war wieder Freitag, und sie hatte immer noch nichts von ihm gehört, nicht mal Geräusche aus seiner Wohnung. War er vielleicht aus irgendeinem Grund sauer auf sie?
Ein Blick zur Uhr sagte Josey, dass es fast fünf war. Sie beschloss, zur Abwechslung mal wieder etwas Produktives zu tun, schnappte sich die Tageszeitung und machte es sich damit auf dem Sofa bequem. Etwa zwanzig Minuten später erblickte sie den Artikel.
Kindesmisshandlung – Freispruch für die Mutter?
lautete die Überschrift, und Josey atmete einmal tief durch. Dann las sie weiter: Gestern zogen die Geschworenen sich zurück, um über das Schicksal einer Frau aus Boston zu entscheiden, die in 29 Anklagepunkten der Kindesmisshandlung und Verletzung der Fürsorgepflicht bezichtigt wird. Unter anderem soll die Frau ihrer Tochter mit einer Zigarette Verbrennungen zugefügt haben.
Der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Nathan Bennington wandte sich mit einem bewegenden Plädoyer an die Geschworenen: „Dieses kleine Mädchen wurde immer wieder geschlagen und ohne Essen im Schrank eingesperrt, man hat ihm emotional schwer zugesetzt. Was auch immer jetzt passiert, diese Misshandlung wird es ihr Leben lang verfolgen. Die Täterin ist Gayle Stapleton, die Frau, die das Kind in die Welt gesetzt hat und die ihre Tochter eigentlich hätte beschützen und lieben sollen. Warum sollte ihre Zukunft also angenehmer sein?“
Die Verteidigung wandte ein, dass die Anklage gegen Stapleton (32) unbegründet sei. Das Kind habe sich die Misshandlungsvorwürfe wegen des allzu drängenden Befragungsstils der Anklage aus Verzweiflung ausgedacht…
Josey glitt die Zeitung aus der Hand.
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