Diesen Sommer bin ich dein
überraschend
erregt. Aber das war ein Teil ihres Selbst, der ihr zutiefst unvertraut war,
ein Teil ihres Selbst, der gezügelt werden musste.
»Besucht Ihr viele
Bälle, Mylord?« Sie konzentrierte ihre Gedanken darauf, höfliche Konversation
zu betreiben und eine Art sichere, gesellschaftliche Distanz zwischen sie zu
legen. »Ich muss zugeben, dass es für mich der erste in diesem Jahr ist.«
»Nein, das tue ich
nicht«, erwiderte er. »Und ja, ich weiß.«
Sie war über die
Kürze seiner Antwort ungehalten. Kannte er keine höfliche Konversation? Und
dann fiel ihr jäh auf, wie eigenartig seine Antwort gewesen war -ja,
ich weiß. Wenn er selbst nicht viele Bälle besuchte, woher wusste er dann,
dass sie noch an keinem teilgenommen hatte?
»Es herrscht großes
Gedränge«, sagte sie, erneut bemüht, am Klischee festzuhalten. »Lady Mannering
muss über den Erfolg ihrer Bemühungen sehr erfreut sein.«
»Wirklich ein
Erfolg.« Seine lachenden Augen ließen nicht von den ihren ab.
»Die Blumen und die
übrige Dekoration sind wunderschön und geschmackvoll«, sagte sie, sich mühsam
vorantastend. »Findet Ihr nicht auch, Mylord?«
»Ich habe nicht
hingesehen, aber ich vertraue auf Euer Wort.«
Er poussierte mit
ihr, erkannte sie plötzlich erschrocken. Er deutete an, dass er nur Augen für
sie hatte. Und sein Verhalten entsprach dieser Andeutung vollkommen. Sie empfand
einen unbehaglichen und unvertrauten Ansturm physischer Bewusstheit - und
dann erneut Empörung.
»Jetzt seid Ihr an
der Reihe, ein Gesprächsthema zu wählen«, sagte sie bewusst hochmütig, um ihr
Unbehagen zu verbergen.
Er lachte leise.
»Ein Mann braucht kein Gespräch zu führen, wenn er mit einer wunderschönen Frau
tanzt«, sagte er. »Er darf zufrieden damit sein, einfach zu fühlen. Sich allen
seinen fünf Sinnen vollkommen hinzugeben. Gespräche sind nichts als Ablenkung.«
Es waren nicht nur
die ungeheuerlichen Worte, die ihren Herzschlag beschleunigten. Es war die Art,
wie sie ausgesprochen wurden. Sanft. Mit leiser, samtiger Stimme, die sie
umhüllte, als würde sie ihre nackte Haut berühren. Als wären sie beide in dem
Ballsaal allein - oder vielleicht ganz woanders, ganz privat.
Und dann waren sie
plötzlich allein und fast in der Dunkelheit. Sie hatte erst bemerkt, dass sie
in die Nähe der Balkontüren getanzt waren, als er sie unmittelbar
hindurchgewirbelt hatte und sie allein - oder zumindest beinahe allein -
auf dem Balkon jenseits des Kerzenscheins standen.
Lauren war bis in
die Grundfesten ihrer Seele erschüttert.
»Und Licht kann
auch eine Ablenkung sein«, sagte er und legte seine Hand fester auf ihre
Taille, so dass sie sich seiner Nähe einen Moment noch stärker bewusst wurde
und fürchtete, ihr Busen würde seine Brust streifen. Er neigte den Kopf näher
zu dem ihren, während er sprach, so dass sie die Wärme seines Atems ihre Wange
küssen spürte. »Wie auch Menschenmengen.«
Wie konnte er es
wagen! Sie hatte ganz richtig vermutet ... Kein Gentleman ...
Aber er hatte nicht
aufgehört zu tanzen, und nach einer weiteren Drehung waren sie wieder im
Ballsaal, den sie kaum eine Minute, nachdem sie ihn durch eine Balkontür
verlassen hatten, durch die andere Balkontür wieder betraten. Der vernichtende
Rüffel, der auf ihrer Zunge lag, blieb unausgesprochen, als sie seinen
lachenden Augen begegnete und erneut in der Magie des Tanzes mit einem
kräftigen, attraktiven Partner gefangen war. ihre kleine Rebellion erwies sich
als unleugbar angenehm, wie sie sich reumütig eingestand. Er war natürlich ein
geübter Charmeur. Lauren Edgeworth war nicht die Person, mit der Männer
poussierten. Sie war es auch nicht gewesen, als sie noch jung und glücklich
war.
Nun poussierte zum
ersten Mal in ihrem Leben jemand mit ihr, und es fühlte sich eher angenehm an -
vorausgesetzt, sie ließ sich keinen Moment davon betören.
Sie bemühte sich
nicht mehr, ein Gespräch zu führen. Er auch nicht.
Als der Walzer
vorüber war, bot Viscount Ravensberg ihr seinen Arm, um sie zu ihrer Familie
zurückzubringen.
»ich werde nicht
vorschlagen, Euch zum Büfett zu geleiten, Miss Edgeworth«, sagte er, das Lachen
nun ebenso in seiner Stimme wie in seinen Augen, »auch wenn Ihr inzwischen wohl
sehr durstig seid. Eure Familie würde es nicht gutheißen. Sie kann Eure
Rückkehr in ihre Mitte kaum erwarten, um Euch darüber zu informieren, dass Ihr
soeben Euren Ruf riskiertet, indem Ihr mit Londons berüchtigtstem Lebemann
getanzt
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