Diesen Sommer bin ich dein
Edgeworth beim Anblick so
vieler nüchtern schweigender Bedwyns im Erdboden versänke. Bestimmt wird er
ärgerlich auf Ralf sein, weil dieser sich dem Besuch entzogen hat. Aber ich
glaube, ebenso wie Alleyne und Wulf, dass sie eine würdige Gegnerin sein wird.
Sie ist absolut nicht gescheitert, oder? Und Kit hat die ganze Zeit gelacht,
das konnte ich in seinen Augen erkennen. e
»Für dich immer noch Lord Ravensberg«, wies
sie Freyja scharf zurecht.
»Als ich fünf Jahre alt war«, erwiderte
Lady Morgan, »und er mich einmal auf den Schultern trug, weil ich sonst nicht
mit euch allen hätte mithalten können, bat er mich, ihn Kit zu nennen. Also
nichts für ungut, Freyja.«
Sie erhob sich und genoss einen Abgang im
Triumph. Miss Cowper trottete hinter ihr her, während Lord Alleyne wieder zu
lachen begann.
»Kleiner Hitzkopf«, sagte er. »Wer weiß,
Free, vielleicht stellt sie uns noch eines Tages alle in den Schatten.«
Kapitel 11
»Lady
Freyja war gekränkt«, sagte Lauren.
»Nein.« Kit nahm ihre Hand und zog ihren
Arm durch den seinen. »Das glaube ich nicht. Ihr Stolz wurde verletzt, das ist
alles.«
Sie liefen im Zickzack den Kiesweg der
französischen Gärten entlang, wobei der Saum von Laurens Musselinkleid, das mit
einem zarten Zweigmuster verziert war, die Blüten streifte, die über die
Randbefestigungen wuchsen. Sie eilten auf den überwucherten Pfad zwischen den
Bäumen zu, aus dem Kit erst vor fünf Minuten mit Lady Kilbourne und Lady Muir
aufgetaucht war. Seine Großmutter war mit ihnen bis zur Rosenlaube spaziert und
hatte dann darauf beharren wollen, dass man sie dort zurückließ, damit sie die
köstliche Luft genießen konnte, während die Übrigen ihren Spaziergang
fortsetzten. Aber Lauren hatte darauf bestanden, bei ihr zu bleiben und ihr
Gesellschaft zu leisten.
Lauten Edgeworth umgab eine ruhige
Liebenswürdigkeit, die man erst wirklich bemerkte, wenn man sie genau
beobachtete. Kit beobachtete sie genau.
»Und du bist sicher, dass das alles ist?«,
fragte sie.
Sie hatten auf dem Rückweg von Lindsey Hall
nur wenig gesprochen, als hätten sie in gegenseitigem Einverständnis beschlossen,
ihre Eindrücke für sich zu behalten, bis sie sie angemessen verarbeitet hätten.
Aber nun waren sie durch Kits Großmutter erneut zusammengeführt worden, die
darauf bestanden hatte, dass sie eine Zeit lang spazieren gehen sollten,
während die übrigen Ladys sie zum Haus zurückbegleiteten.
»Wir hatten vor drei Jahren eine kurze
Romanze, Lauren«, sagte er, »nachdem wir ein Leben lang einfach nur Freunde und
Spielkameraden gewesen waren. Dann hat sie sich mit Jerome verlobt, ich habe
mich zum Narren gemacht, indem ich mich sowohl mit ihm als auch mit Ralf
geprügelt habe, und bin dann auf die Pyrenäenhalbinsel zurückgekehrt, wo ich
auch hingehörte. Es wäre absurd, mir einzubilden, sie hätte um mich getrauert.
Das ist nicht Freyjas Art.«
»Ist es deine?« Sie verließen die
französischen Gärten, um das schmale Rasenstück zu der kleinen buckligen Brücke
über den Bach zu überqueren, der durch ein mit Steinen ausgekleidetes Bett dem
Fluss zuströmte.
»Du meinst, ob ich die ganze Zeit eine
heimliche Leidenschaft für sie gehegt habe?«, fragte er. »Nein, natürlich
nicht. Sie bestand nur kurzzeitig und war bald vorüber. Außerdem, Lauren, würde
ich in deiner Gegenwart wohl kaum stärkere Gefühle für sie zugeben, oder? Das
wäre schrecklich geschmacklos.«
»Warum? Unsere Verlobung gilt immerhin auch
nur für kurze Zeit. Es besteht also keine Notwendigkeit, die Wahrheit aus
Taktgefühl vor mir zu verbergen. Hast du sie geliebt? Liebst du sie noch?«
Seine Stiefel klapperten im Gegensatz zu
Laurens leichterem Schritt über die Bohlen der Brücke. Hatte er Freyja geliebt?
Er hatte es damals Liebe genannt, doch rückblickend erschienen ihm seine
Gefühle eher wie eine verzweifelte Gier, sich im Körper einer Frau zu verlieren,
die ihm vielleicht einen Moment des Vergessens bescheren könnte. Nicht, dass
ihre Leidenschaft jemals vollzogen worden wäre. Sie hatte ihn mehr als einmal
nahe herankommen lassen, nur um ihm im letzten Moment lachend zu entwischen. Er
hatte sie damals nicht als Spötterin empfunden, aber heute fragte er sich, ob
sie seine Werbung jemals ernst genommen hatte.
»Man kann vergangene Gefühle schwer
benennen«, sagte er. »Sie sind zu sehr von allen unseren nachfolgenden
Erfahrungen geprägt. Ich wollte sie unbedingt heiraten und sie mit mir
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