Diesen Sommer bin ich dein
einen Großteil ihrer Kindheit damit verbracht,
sich insgeheim nach der Mutter zu sehnen, an deren Gesicht sie sich nicht
einmal mehr erinnern konnte. Seltsam!
Sie seufzte tief.
Kit saß noch immer
aufrecht auf der Bettkante, obwohl er mit jeder Minute schläfriger geworden
war. Das Knarren des alten Schaukelstuhls hätte störend sein müssen, war es
aber nicht. Es beruhigte ihn, bevor es dann ganz aufhörte.
Er vermutete, dass
Lauren eingeschlafen war. Sie hatte seit mehreren Minuten geschwiegen und auch
auf seine letzte Geschichte nicht reagiert.
Er hatte während
der letzten Jahre aufgehört, über seine Kindheit nachzudenken. Es gab fast
keine Erinnerungen, die nicht Jerome und Syd mit einschlossen, und nur sehr
wenige, die nicht mit den Bedwyns zu tun hatten. Aber heute Abend hatte er die
Erinnerungen wieder an sich herangelassen und sie als vergnüglich empfunden,
überraschend frei von Schmerz oder Verbitterung. Es waren, trotz allem, was vor
drei Jahren geschehen war, glückliche Jahre gewesen. Die Freundschaften und die
brüderliche Liebe hatten ihn geprägt, genährt und vermutlich zu dem Mann
gemacht, der er nun war.
Laurens Kopf war
auf die Seite gesunken. Es war eine liebenswerte Haltung, so anders als ihre
sonst so disziplinierte Würde. Er sollte sie wecken und zum Haus
zurückbegleiten. Er dachte, dass er den Rest der Nacht jetzt wohl auch selbst
friedlich schlafen könnte. Tatsächlich würde er auf der Stelle einnicken, wenn
er es zuließe. Der Gedanke an den Rückweg schreckte ihn.
Sie hatte es
bewusst getan, dachte er, während er sie betrachtete. Sie hatte ihm erlaubt,
über seine Alpträume zu sprechen, aber sie hatte nicht zugelassen, dass er sich
darin suhlte. Sie hatte so geschickt das Thema gewechselt, dass er sich jetzt
nicht mehr erinnern konnte, wie sie plötzlich auf ihre jeweilige Kindheit
gekommen waren. Was verband Kinder mit den Erzählungen vom Krieg und vom Töten?
Er konnte sich nicht erinnern, aber er war davon überzeugt, dass Lauren dies
absichtlich getan hatte. Damit sich seine Stimmung hob, damit seine Gedanken
sanfter, freundlicher, dem Schlaf förderlicher würden.
Er gähnte.
Wenn er sie nicht
bald weckte, bekäme sie einen steifen Hals. Er erhob sich und streckte eine
Hand aus, um sie an der Schulter zu rütteln - und kehrte dann auf seine
Seite des Tisches zurück, ohne sie berührt zu haben. Er betrachtete das Bett
und schlug dann die beiden übrigen Decken zurück. Sie waren mitten in der Nacht
in einem Raum mit einem Bett gemeinsam allein - eine gefährliche
Situation. Und - seltsam genug - seit sie die Hütte betreten
hatten, war ihm nicht einmal der Gedanke an Verführung gekommen. Selbst jetzt
stand das Verlangen, von dem er wusste, dass er es ihr gegenüber empfinden
konnte, nicht im Vordergrund.
Er wandte sich
wieder dem Schaukelstuhl zu, beugte sich herab und nahm sie sanft in die Arme.
Sie erwachte natürlich, war aber zu schläfrig, um Widerstand zu leisten. Er
legte sie sanft aufs Bett, so weit an der Innenseite wie möglich. Er zog ihr
die Schuhe aus, dann seine Stiefel und legte sich neben sie. Er zog die Decken
über sie beide. Sie beobachtete ihn die ganze Zeit schläfrig. Es war kein
breites Bett. Es war nicht möglich, eine Lücke zwischen ihnen freizulassen.
»Schlaf weiter«,
sagte er. Er glaubte, sie wäre vielleicht schon vor seinen Worten wieder
eingeschlafen. Er konnte erneut den milden Seifenduft ihres Haares riechen. Er
konnte die sanften Konturen ihres Körpers und ihre Wärme seine ganze rechte
Seite entlang spüren. Seltsamerweise, obwohl er halb erregt war, war es nur ein
angenehmes, leicht zu kontrollierendes Gefühl. Er wollte sie nicht dringender
begehren. Er wünschte sich nichts weniger als eine Orgie.
Dafür war es zu
kostbar.
Sie war zu kostbar.
Sie hatte die
Zuneigung seiner Mutter und Großmutter errungen - tatsächlich glaubte er,
dass Großmama sie anbetete. Auch hatte sie sich die respektvolle Achtung seines
Vaters erworben. Und das alles mit ihrer stillen Würde. Sein eigenes Leben hier
war seit ihrer Ankunft unendlich angenehmer geworden - es fiel ihm aus
einem unbestimmten Grund leichter, wieder eine Beziehung zu seiner Familie
aufzubauen - außer zu Syd natürlich.
Er hatte Lauren
gelehrt, ein wenig mehr aus sich herauszugehen. Er hatte sie gelehrt, im See zu
baden und auf Bäume zu klettern. Er hatte sie dazu beschwatzt, sich ausreichend
zu entspannen, um lächeln und sogar lachen zu können. Aber nicht nur
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