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Dieser eine Moment (German Edition)

Dieser eine Moment (German Edition)

Titel: Dieser eine Moment (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Wortberg
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bring es hinter dich. Stattdessen sagt er: »Dasselbe wie du.« Ein ertappter Dieb, der nach einer Ausrede sucht.
    Catrin scheint das nicht zu bemerken. Vielleicht übergeht sie es auch nur. Sie schnuppert. »Kakao«, sagt sie lächelnd.
    »Ja«, sagt er, »Kakao.«
    »Genau wie deine Schwester.«
    »Ja.«
    »Maja.«
    »Ja, Maja.«
    Er wünscht sich, er könnte das alles ausradieren. Einfach so. Es mit einem Schwamm von einer Tafel wegwischen wie eine fehlerhafte Gleichung.
    »Dass wir uns so schnell wiedertreffen«, sagt sie.
    »Zufall«, sagt er. Eine erneute Ausflucht, ein weiterer Fehler in der Gleichung.
    »Glaubst du wirklich?«, fragt sie.
    »Keine Ahnung«, sagt er irritiert, »ich hab das einfach nur so dahin..., ich hab nicht drüber nachgedacht.«
    »Ich schon«, sagt sie. »Ich hab mir gedacht, dass wir uns wiederbegegnen würden, nur nicht so schnell. Komisch, oder?«
    »Soll ich dir was bestellen?«, fragt er.
    »Hab ich schon«, sagt sie, »beim Reinkommen.«
    »Einen Kaffee, richtig?«
    »Ja, wieso?«
    »Nur so. Hattest du gestern auch. Mit Milch, ohne Zucker. Den Keks hast du liegen gelassen. Hast ihn nicht mal angefasst.«
    »Du bist ein guter Beobachter.«
    »Weiß nicht«, sagt er, »kann sein.«
    »Ich mag Beobachter«, sagt sie, »ich war auch immer einer.«
    »Jetzt nicht mehr?«
    »Ich bin blind, schon vergessen?«
    »Tut mir leid«, sagt er.
    »Kein Problem«, sagt sie. »Jedenfalls nicht für mich. Für die Leute schon. Den meisten ist es irgendwie peinlich. Sie wissen einfach nicht, wie sie mit mir umgehen sollen.«
    »Bist du ihnen böse deswegen?«
    »Ich versuche, es zu ignorieren, was soll ich auch sonst tun.«
    »Aber es gelingt dir nicht.«
    »Nein«, sagt sie. »Nicht wirklich.«
    »Bist du immer so?«, fragt er.
    »Wie denn?«
    »Weiß auch nicht. Irgendwie abgeklärt. Als ob dir nichts etwas anhaben kann.«
    Sie lacht. »Das wirkt nur so, in Wahrheit ...«
    »In Wahrheit was?«
    »Du bist ganz schön neugierig«, sagt sie.
    »Du hast damit angefangen«, sagt er.
    »Vorsicht«, sagt die Kellnerin und stellt eine Tasse auf den Tisch.
    Catrin lässt die Hände tastend über die Tischplatte wandern, bis ihre Finger die Tasse erreichen.
    »Kannst ihn haben, wenn du willst«, sagt sie und greift nach dem Keks. Er besteht aus Mürbeteig, mit einem roten Klecks aus Marmelade darauf. Als Jan ihn nimmt, streift er ihre Hand. Die Berührung ist flüchtig, eine Ahnung, nicht mehr. Und trifft ihn doch wie ein Stromschlag.
    Catrin reißt das Milchdöschen auf, gießt die Sahne in die Tasse. Weiße Tropfen im dunklen Kaffeebraun, kleine Wellen, die sich gleichmäßig ausbreiten. Sie tastet nach dem Löffel, beginnt den Kaffee umzurühren. Wie einen Kondensstreifen zieht der kreisende Löffel eine Sahnespur hinter sich her, eine milchweiße Spirale, die sich im heller werdenden Braun langsam auflöst, bis sie ganz verschwunden ist.
    »Gehst du noch zur Schule?«, fragt Catrin.
    »Nein«, sagt Jan.
    »Sondern?«
    »Ausbildung.«
    »Und was?«
    »Klimatechnik. Heizung und so was.«
    »Kann man echt gut gebrauchen«, sagt sie, »bei dem Wetter.« Sie lacht.
    Zur Schau gestellte Unbeschwertheit, die nur mühsam die darunter liegende Traurigkeit verbirgt. Ein Stich in sein Herz.
    »Und du?«, fragt er. »Was machst du so?«
    »Studieren«, sagt sie. »Was Besseres ist mir nicht eingefallen.«
    »Würdest du lieber was anderes machen?«
    »Ich weiß nicht«, sagt sie. »Ich weiß immer erst, was ich will, wenn ich rausgefunden hab, was ich nicht will. Und das dauert.«
    »Kenn ich«, sagt er.
    Sie schweigen. Draußen wird es langsam dunkel. Er betrachtet sie. Ihren leicht geneigten Kopf, ihre makellose Haut, die angespannten Muskeln ihres Halses.
    »Deine Schwester hat gesagt, du hast eine Freundin.«
    »Ja.«
    »So alt wie du?«
    »Ein Jahr jünger.«
    »Wie heißt sie?«
    »Laura.«
    »Seid ihr schon lange zusammen?«
    »Seit August.«
    »Welcher Tag?«
    »Siebzehnter«, sagt er, »wieso?«
    »Ein Freitag«, erwidert sie.
    »Ja«, sagt er leise, »ein Freitag.«
    Ihre Gesichtszüge unter der Sonnenbrille frieren ein, ihre Lippen ziehen sich zu einem schmalen Strich zusammen. Er weiß, was sie jetzt denkt. Er weiß es, weil er dasselbe denkt.
    »Ein schöner Tag«, sagt sie, »keine Wolke am Himmel. Abends hat es geregnet, es gab ein Gewitter.«
    »Kann sein«, sagt er und hört wieder den Donner und fühlt wieder den Regen auf seiner Haut. Er ist hierhergekommen, um ihr alles zu sagen, und jetzt lügt

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