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Dieser eine Moment (German Edition)

Dieser eine Moment (German Edition)

Titel: Dieser eine Moment (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Wortberg
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worauf Maja versucht, sich wieder in den Reigen der anderen einzufügen. Aber ihre Bewegungen wirken nur noch stolpernd und ungelenk, sie hat ihre Leichtigkeit verloren und ihr Lachen, er kann ihr ansehen, wie sehr sie den Moment herbeiwünscht, in dem es endlich vorbei ist.
    Als die letzten Töne verklungen sind, treten die Mädchen an den Bühnenrand, begleitet vom begeisterten Applaus ihrer Eltern und Verwandten, erschöpft und befreit, die stolzen Gesichter glühen. Nur Majas Gesicht glüht nicht. Unsicher verbeugt sie sich, und erst als sie merkt, dass das Aufbranden des Applauses ihr gilt, entspannen sich ihre Züge.
    »Siehst du, Papa«, sagt Jan zu seinem Vater, als er das Vibrieren seines Handys in seiner Hosentasche spürt. Vielleicht ist es Laura. Er zieht das Telefon heraus, schaut auf die Schrift auf dem Display und vergisst von einer Sekunde zur anderen alles um sich herum:
    »Hast du morgen Zeit? C.«

Dritter Teil
LIEBEN

20
    Sie steht am Geländer der Promenade, neben sich ihren Blindenstock, vor sich das schwarze Wasser des Hafenbeckens, hinter sich den Rest der Welt, verborgen unter einer Haube aus Schnee, glitzernd in der frühen Sonne. Der erste schöne Tag seit Wochen, der Himmel strahlend blau, weit und wolkenlos. Ihre blonden Haare unter der Wollmütze wie fließendes Licht. Sie trägt einen beigefarbenen Wintermantel, ihre Hände, in Handschuhen aus braunem Leder, liegen bewegungslos auf dem Geländer. Sie strahlt Ruhe aus und Kraft und dieselbe Gleichmütigkeit, die ihm schon bei ihrer ersten Begegnung im Café aufgefallen ist.
    Als ob sie aus einer anderen Welt kommt, denkt er, geheimnisvoll und unbegreiflich.
    »Hallo«, sagt er leise.
    »Da bist du ja«, sagt sie, den Kopf weiter dem Hafen zugewandt.
    »Ja«, sagt er, »da bin ich.«
    Er stellt sich neben sie, die Ellenbogen auf das Geländer gestützt, er spürt das Gewicht seines Körpers, er fühlt ihre Scheu.
    »Hast du dich gewundert?«, fragt sie.
    »Worüber?«
    »Dass ich mich so schnell gemeldet habe.«
    »Ein bisschen schon.«
    »Ich mich auch«, sagt sie.
    Ihre schlanke Nase vor dem stahlblauen Himmel, in ihrer Sonnenbrille spiegelt sich die Sonne, hinterlässt einen blinden Fleck auf seiner Netzhaut.
    »Geht’s dir gut?«, fragt er.
    »Ja«, sagt sie, »ich glaube schon.«
    Was bedeutet das: Ich glaube schon? Die Worte meinen nicht, was sie sagen. Sie sind Rätsel. Merkwürdige Gebilde, einfach und undurchdringlich. Dehnbar wie die Fäden eines Spinnennetzes. Statt Lücken zu schließen, reißen sie Lücken auf. Unsichtbare Fallen, in die man tritt, eigene, fremde, es spielt keine Rolle.
    »Freust du dich, mich zu sehen?«, fragt sie.
    »Ja«, sagt er, »sehr.«
    Er versucht, hinter den Rand ihrer Sonnenbrille zu schauen, er will ihre verlorenen Augen sehen. Es gelingt ihm nicht, der Spalt zwischen Brille und Wange ist zu schmal.
    »Welche Farbe haben deine Augen?«
    »Wieso willst du das wissen?«
    »Einfach so«, sagt er. Und dann: »Warum trägst du immer diese Sonnenbrille?«
    »Eine gute Frage«, sagt sie.
    »Und die Antwort?«
    »Es gibt keine«, sagt sie.
    Mit ihr zu reden ist wie eine Reise in ein unbekanntes Land. Ständig überrascht sie einen, jeder Satz ist ein Abenteuer.
    »Was willst du noch wissen?«, fragt sie.
    Alles, denkt er.
    »Ich weiß nicht«, sagt er.
    »Du sagst das ziemlich oft: ›Ich weiß nicht‹.«
    »Hat mir schon mal jemand gesagt.«
    »Deine Freundin?«
    »Ja.«
    »Laura.«
    »Ja.«
    »Hört sich nach Stress an«, sagt sie.
    »Wie kommst du darauf?«, fragt er.
    »Nur so ein Gefühl«, sagt sie.
    Er antwortet nicht. Er fragt sich, wie Laura reagieren würde, wenn sie ihn hier stehen sähe mit Catrin. Wahrscheinlich würde sie wortlos an ihm vorbeigehen, als wäre er ein Fremder. Und genau das ist er ja auch. Ein Fremder. Für sie und auch für sich selbst.
    »Hast du einen Freund?«, fragt er und sieht einen jungen Mann vor sich. Auf einer regennassen Landstraße. Wie er aus einem schrottreifen Wagen steigt. Wie er, ihm entgegentaumelnd, nach ihr ruft, die Hände ausgestreckt, das Gesicht blutig.
    »Jetzt nicht mehr«, sagt sie.
    »Nicht mehr?«
    »Er war ein Idiot.«
    »So wie ich«, sagt Jan.
    »Du?«
    »Ja, ich.«
    »Nein«, sagt sie, »du bist alles, nur kein Idiot.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragt er. »Du kennst mich doch gar nicht.«
    »Stimmt«, sagt sie, »ich kenne dich nicht.«
    Urplötzlich das unbändige Verlangen zu verschwinden. Eine der kreischenden Möwen zu sein,

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