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Dieser eine Moment (German Edition)

Dieser eine Moment (German Edition)

Titel: Dieser eine Moment (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Wortberg
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die über dem Hafen kreisen. Sich emporzuschwingen, hoch und immer höher. Sich aufzulösen im stählernen Blau des Himmels, eine Ahnung im Nichts.
    »Denkst du dasselbe wie ich?«, fragt Catrin.
    »Ich weiß nicht«, sagt er, »was denkst du denn?«
    »Dasselbe wie du«, sagt sie und lacht.
    Er wendet sein Gesicht der Sonne zu. Trotz des kalten Windes, der den Geruch des Meeres zu ihnen trägt, sind ihre Strahlen warm und weich.
    »Heb deinen Kopf«, sagt er. »Noch ein bisschen, so ist gut.«
    Sie tut, was er sagt.
    »Spürst du’s?«, fragt er.
    »Ja«, sagt sie und lächelt.
    Sie stehen eine Weile schweigend da, die Hände am Geländer der Promenade, lassen sich wärmen wie Eidechsen. Bis das Hupen eines Schiffshorns Catrin zusammenzucken lässt.
    »Ein Schiff«, sagt sie.
    »Ja«, sagt er, »die Fähre nach Norwegen.«
    »Läuft sie aus oder kommt sie an?«
    »Sie läuft ein«, sagt Jan und beobachtet, wie das Schiff sich mithilfe seiner Bug-und Heckstrahlruder langsam im Hafenbecken dreht, ein weiß-blaues Ungetüm aus Stahl, ein riesenhafter Wal, der den Hafen zu einer Winzigkeit zusammenschrumpfen lässt.
    »Ich mag dich«, sagt Catrin.
    »Ich dich auch«, sagt er.
    Die letzten Zeilen eines Refrains fallen ihm ein, er weiß nicht wieso, das Lied gehörte Laura und ihm, jetzt gehört es nur noch ihm: »Und bevor du gehst, sag nur, es ist schon spät.«
    »Ist es ein großes Schiff?«, fragt Catrin.
    »Ja«, sagt Jan, »sehr groß.«
    »Wie sieht es aus?«
    »Der Rumpf ist blau, die Aufbauten sind weiß. Auf der Seite steht der Name der Reederei. Schräge weiße Buchstaben, größer als ein Haus.«
    »Und weiter?«, fragt sie. »Wie viele Decks gibt es, welche Farbe hat der Schornstein?«
    »Bitte, ich kann das nicht.«
    »Was?«
    »Ich bin nicht so gut mit Worten.«
    »Wer sagt das?«
    »Ich.«
    Sie schweigt. Der Wind spielt mit ihren Haaren. Die Strahlruder des Schiffes wirbeln das Wasser zu gurgelnden weißen Gischtkreisen auf, einer am Heck, einer am Bug. Dazu das Geräusch der Maschinen, ein fernes Dröhnen, das den Schiffskörper erzittern lässt.
    »Davon hab ich immer geträumt«, sagt sie.
    »Wovon?«, fragt er.
    »Mal mit so einem zu fahren. Irgendwann.«
    »Und wohin?«
    »Egal wohin.«
    Er sieht, wie ihre Gedanken sie wegtreiben, er sieht es an dem Ausdruck ihres Gesichtes. Palmen fallen ihm ein und weiße Sandstrände, umspült von einem türkisfarbenen Meer, dazu ein endloser Horizont, vor dem Schaumkronen auftauchen und wieder verschwinden. Wie Besucher aus einer anderen Welt. Eine Kitschpostkarte, denkt er und fragt sich, warum einem in solchen Situationen immer Palmen und weiße Sandstrände einfallen.
    »Hast du schon mal was wirklich Verrücktes getan?«, fragt sie.
    »Was Verrücktes?«
    »Ja, einfach so, ohne zu überlegen.«
    Er versucht sich vorzustellen, wie er etwas Verrücktes tut. Er sucht nach Bildern in seinem Kopf, aber er findet nur leere Flecken.
    »Ich glaube nicht«, sagt er.
    »Hättest du Lust dazu?«, fragt sie.
    »Ich weiß nicht. Vielleicht.«
    Er sieht eine Schale mit Currywurst vor sich, auf der roten Plastiktischdecke eines Schnellimbisses. Er hört seinen Meister sagen, dass man lieben muss, was man tut, weil man sonst daran kaputtgeht. Er liebt nicht, was er tut, er hasst es. Er fragt sich, ob er schon kaputt ist oder nur auf dem Weg kaputtzugehen. Er würde sein Leben so gerne ändern, aber er weiß nicht wie. Er weiß nicht, was das ist: Leben. Er weiß überhaupt nichts mehr. Sein Kopf ist ein Kettenkarussell. In den Sitzen an den langen Ketten hocken seine Wünsche und Gedanken. Sie sind wie weicher, formbarer Teig. Die Schwerkraft presst sie an die Sitzschalen, Teile von ihnen werden abgerissen und herausgeschleudert, dann der Rest, er weiß nicht wohin. Was bleibt, sind klebrige Rückstände auf den sich immer schneller drehenden Sitzen, aber auch die werden irgendwann verschwunden sein.
    »Heißt vielleicht ja?«, fragt sie.
    Er blickt sie an. Da ist keine Spur eines Zögerns. »Du meinst es ernst.«
    »Natürlich«, sagt sie, »sonst hätte ich nicht gefragt.«
    »Und was würdest du gerne tun?«
    »Was glaubst du?«
    »Wegfahren«, sagt er. »Mit der Fähre. Rüber nach Norwegen.« Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals.
    Sie nickt langsam, wendet ihm ihren Kopf zu, schräg zur Seite gelegt, so wie sie das meistens tut. »Wärst du dabei?«
    Vielleicht hat sie sich deshalb mit ihm getroffen. Weil sie ihn braucht für die Durchführung eines Planes, gewachsen in

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