Dieser graue Geist
ihr befand er, dass sie weniger seiner Definition eines Raumschiffes als der einer Raumstation entsprach, wenn auch einer zum Warp fähigen. Es war eine Herausforderung, sich in den identischen, gewundenen Korridoren und Dutzenden von Transportwagen zurechtzufinden. Den großen Augen seiner Besatzung nach zu urteilen, waren die anderen nicht minder überfordert.
Bis zum Abschluss der Reparaturen blieb die Defiant mehr oder weniger unbewohnbar. Daher hatten sie Quartier auf der Avaril bezogen. Bowers, der die Entnahme persönlicher Gegenstände von Bord der Defiant koordiniert hatte, hatte eine Gruppe mit Kleidersäcken beladener Offiziere fälschlicherweise in den Maschinenraum der Avaril geführt. Fürst J’Maah war so klug, ihnen mehrere der Defiant nahe Räume zuzuweisen, was die Gefahr minimierte, dass sich Vaughns Leute erneut verliefen. Um des kulturellen Austauschs willen hatte J’Maah ihnen zudem Zugriff auf ausgewählte Datenbestände des Schiffes ermöglicht. Die Reise zum Konsortium würde vier Tage beanspruchen, Gleiches galt für den Rückweg, und Vaughn hatte befohlen, dass sich alle mindestens zwei Stunden pro Tag in die politische und gesellschaftliche Situation der Gegenden einlasen, durch die sie flogen. Außerdem war die Teilnahme an den genau terminierten »Treffen mit den anderen« Pflicht – außer für Nog und die Ingenieure; die Reparatur der Defiant hatte Vorrang vor allem. Vaughn selbst hatte sich geschworen, den Deckplan der Avaril auswendig zu lernen. Er hasste es, sich zu verirren.
Da die der Defiant -Besatzung zugewiesenen Räumlichkeiten eigentlich keine Quartiere waren, beinhalteten sie auch nichts, was Betten ähnelte. Bashir und Prynn hatten den Auftrag, Schlafsäcke, Decken und Kissen aus dem Schiff zu nehmen. Vaughn schätzte, dass seine Leute nach der ersten Nacht auf dem Boden der Avaril in Zukunft deutlich toleranter gegenüber Schnarchern und unruhigen Schläfern sein würden.
Da Bowers, Bashir und Prynn noch mit Fragen der Unterbringung beschäftigt waren und er seine Gespräche mit Fürst J’Maah beendet hatte, sah sich Vaughn unerwarteter Freizeit gegenüber. Erst zum Abendessen würde er sich mit dem Führungsstab der Avaril und Wissenschaftsminister M’Yeoh treffen und besprechen, was sie vom Konsortium zu erwarten hatten.
Soweit er wusste, würde M’Yeoh aufgrund seines Politikerstatus Vaughns Fürsprecher sein und ihm den Handel ermöglichen. In Vaughns Augen blieb er dennoch ein wehleidiger Karrieretyp, der sein Amt nur der Tatsache verdankte, einem der ältesten und prestigeträchtigsten Häuser Vanìmels zu entstammen. Es kam einer Herausforderung gleich, in den kommenden Tagen ein konstruktives Arbeitsverhältnis zwischen ihnen zu etablieren. Vaughn hatte wenig für Leute übrig, deren Macht geerbt war. Seiner Erfahrung nach standen sie eher im Weg, als dass sie nützten.
Ein Blick zur Uhr verriet ihm, dass er sich erst in einer halben Stunde in J’Maahs Quartier einzufinden hatte. Und für den späten Abend plante die Besatzung ein Pokerspiel. Vaughn entschloss sich, jetzt einer privaten Sache nachzugehen; dann hatte er später vielleicht die Chance, selbst ein paar Runden zu spielen.
Ihm war bewusst, wie unwahrscheinlich freie Zeit während der kommenden Tage sein würde. Dennoch lud er sich neue Entspannungslektüre aus dem Bibliothekscomputer der Defiant auf ein Padd: den nächsten Band der Geschichte der irdischen Zivilisation . Am Vortag ihrer Begegnung mit der Cheka-Waffe hatte er den Band über Alexander den Großen beendet und freute sich schon darauf, den Aufstieg des römischen Reiches erneut zu verfolgen.
Die Gänge rings um die Defiant waren leer. Der Großteil der Besatzung hatte sich mittlerweile in die neuen Unterkünfte verzogen. Vaughn gab seinen persönlichen Zugangscode in die Türkonsole ein und durchquerte die Halle. Das Echo seiner Schritte hallte von den Wänden wider. Die Defiant ruhte auf ihren selten verwendeten Landebeinen und wirkte wie ein Patient, der sich von langem Leiden erholte. An externen Zugangspunkten hingen Module und leiteten mittels langer, schlangenhafter Kabelstränge Energie in die Umweltsysteme des Schiffes. Vaughn strich sanft über die Außenhülle, hoffte auf baldige Genesung. Dann öffnete er die Luke und stieg ein. Julian würde ihn jetzt wegen unnötiger Strahlungsaussetzung tadeln, aber dank des Hyronalins war Vaughn länger als die fünfzehn Minuten immun, die er brauchte. Die Dekontaminierung ging
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