Dieser graue Geist
saß auf den Emporen des ovalen Raumes und trug grüne Gewänder. Ezri stieg einige Stufen hoch und erreichte das Podium, auf dem die Vorsitzenden Platz genommen hatten. Eine Bank ohne Rückenlehne stand vor einem langen Tisch, an dem Versammlungsrat Rashoh, Vizerat Jeshoh, Unterer Versammlungsrat Ru’lal und Untere Versammlungsvizerätin Keren bereits auf Ezri warteten.
Sobald sie sich gesetzt hatte, nahmen auch die anderen Platz. Ezri fragte sich, wie sie wohl würdevoller aussah: mit verschränkten oder unverschränkten Beinen.
Der Versammlungsrat berührte eine Taste, und mit einem Mal wurde einer der wichtigsten Vertreter vom Licht angestrahlt. Vermutlich signalisierten die Yrythny so, wer das Wort hatte. Der Abgeordnete erhob sich auch prompt und wandte sich an die Versammlung.
»Vorsitzender, wir haben uns mit der Frage befasst, ob diese Außenstehende, Lieutenant Ezri Dax, Vermittlerin sein kann. Wenn auch nur knapp, kamen beide Parteien überein, ihren Rat anzunehmen. Ich stelle hiermit den entsprechenden Antrag, der meinen Mitrepräsentanten in diesen Minuten zugeht.« Er drückte auf eine Konsole, wodurch sein Antrag wohl den anderen Tischen der Kammer zugespielt wurde. »Ihm zufolge soll besagte Ezri Dax in meinem Geburtshaus Soid auf dem Planeten untergebracht werden. Dort wird sie das Wesen unseres Volkes kennenlernen, auf dass das Wissen ihre Urteilskraft stärkt. Ich beantrage eine Abstimmung.«
Er saß noch keine Minute wieder, da gingen überall im Raum einzelne Lichter an. Der Versammlungsrat erteilte einem Abgeordneten das Wort, doch sofort stand ein Yrythny am anderen Ende der Halle auf und begann ebenfalls zu sprechen. Dann ein dritter. Ezri sah von einem zum nächsten und bemühte sich, allem zu folgen – den Rednern, den Lichtern, den Beschlüssen –, fand es aber unmöglich. Der Versammlungsrat wirkte verbissen, und seine Hände flogen geradezu über seine Konsole, griff aber nicht in das Durcheinander ein. Jeshoh, Keren und der Rest wirkten hilflos.
Soweit Ezri mitbekam, bestanden Vertreter diverser Häuser darauf, sie als Erste beherbergen zu dürfen. Die Vertreter der Unteren Versammlung befürchteten indes, ein Fokus auf die Lage der Hausstämmigen könne sie beeinflussen, bevor sie die Chance hatte, die Sicht der Wanderer kennenzulernen. Auf den Emporen gingen Lichter an und aus, während die Debatte an Schärfe zunahm, bis die Verbalangriffe nicht länger an das Podium, sondern gleich an die gegnerische Partei gerichtet wurden. Mehrere Abgeordnete kletterten mit fliegenden Roben über die Barrieren zwischen den Parteibereichen und trachteten danach, ihre Argumente mit Fäusten zu unterstreichen. Jeshoh und Keren, die sie laut zur Ordnung ermahnten, wurden ignoriert.
Und viele hassverzerrte Gesichter richteten ihr Gift direkt an Ezri. Wo immer sie hinsah, begegneten ihr Verachtung und Misstrauen. Ob der Vorsitz einen Alternativplan hatte, falls der Mob sie überwältigen sollte? Wie dumm von ihr, sich einer derartigen Aufgabe gewachsen zu fühlen! Hast du den Verstand verloren, Ezri? Das ist Wahnsinn!
Plötzlich war er da. Ein Krümel, ein Fragment einer Erinnerung – und sofort klammerte sie sich daran, suchte nach mehr.
… Lela spürte ihre Feindseligkeit, ihren Zorn, als sie den langen Weg von der Tür zu ihrem Sitz ging. Nicht dass sie als Frau und erste Wirtin ihres Symbionten nicht schon genug Vorurteile zu erdulden hatte – nein, nun wollte sie auch noch einen kontroversen – und höchstwahrscheinlich aussichtslosen – Vorschlag unterbreiten! Der Großteil ihrer Kollegen würde ihr vehement widersprechen, doch Lela wusste, dass sie es sich nie würde verzeihen können, wenn sie jetzt schwieg. Sie wusste, dass sie all die spöttischen Blicke und geflüsterten Beleidigungen verdiente, wenn sie nicht für ihre Überzeugungen einstand. Wusste, dass Mut nicht die Abwesenheit von Furcht war, sondern das Handeln im Angesicht dieser Furcht. An ihrem Tisch angekommen, hob Lela die Hand, bat um die Aufmerksamkeit des Interimspräsidenten. Er ignorierte sie. Unverdrossen ergriff sie das Wort und sagte …
»Ich bin hier, weil ich an den Frieden glaube«, begann Ezri. »Weil ich glaube, dank meines einzigartigen Blickwinkels durch den dichten Wald aus Rhetorik und Rivalität blicken und die Lichtung finden zu können, die jenseits des dunklen, schattigen Pfades liegt.« Je länger Lelas Worte aus ihrem Mund drangen, desto selbstbewusster wurde Ezri. Ihre Stimme wurde fester,
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