Dieser Kuß veraendert alles
Sein eigenes Haus hatte er sofort verkauft, nur das Land hatte er behalten. Er verdiente genug Geld als Rodeo Cowboy, Lastwagenfahrer und Bauarbeiter, was immer sich gerade ergab: Die Pacht war immer auf die Bank gewandert. Er brauchte das Land nicht und war heilfroh, ihm nicht seine besten Jahre geopfert zu haben.
Aber Kenny schien ihm auch nicht gerade viel Schweiß zu opfern. Viel Heu hatte er nicht geerntet. Westlich vom Haus war erst die Hälfte gemäht worden. Und was noch schlimmer war, auf der Wiese trieben sich Schafe herum. Typisch Kenny, seine Großzügigkeit von irgendeinem Nachbarn ausnutzen zu lassen.
Aber so, wie es hier aussah, konnte Kenny sich solche Großzügigkeit nicht leisten. Abgesehen von den Hunden und den fremden Schafen herrschte kein Leben. Keine Pferde im Korral. Keine einzige Kuh in Sicht.
Je länger er darüber nachdachte, desto weniger gefiel ihm, was er sah. Tate holte die Wagenschlüssel aus der Tasche und riss die Fahrertür auf. Auf dem Weg in die Stadt würde er wahrscheinlich an sauber gestapelten Heuballen vorbeikommen.
Vielleicht auf der Alfalfa-Wiese, wo Kenny in diesem Jahr zwei Ernten eingefahren haben müsste. Eigentlich hätte er die Ballen näher am Haus lagern sollen, damit er es im Winter nicht so weit hatte. Fauler Kerl.
Aber so war Kenny nun einmal.
1. KAPITEL
"Was soll das heißen, seit Kenny Becker den Löffel abgegeben hat?" fragte Tate scharf und starrte Ted Staples entsetzt an.
Der Barkeeper stellte die Whiskeyflasche so vorsichtig auf den Tresen, als wäre sie aus zartem Kristall. Dann hob er erstaunt den Blick.
"Ich meine, seit Kenny gestorben ist", verbesserte er. "Klingt das besser? Seit Kenny gestorben ist, rufen die Frauen hier dauernd an und fragen nach ihren Männern."
Tate begriff noch immer nicht. Die Neonschrift über dem Tresen begann plötzlich vor seinen Augen zu verschwimmen.
Verdammt, er hatte doch erst einen Drink gehabt. "Wovon redest Du, Ted?"
"Meistens sage ich den Frauen, dass ihr Mann nicht hier ist.
Oder gerade gegangen ist. Aber man hört diesen ,Er-ist-schonso-lange-weg-Ton' in ihrer Stimme und weiß genau, warum sie sich Sorgen machen."
"Kenny..."
"Na ja, du weißt doch..." Ted schenkte Tate noch einmal nach. Schließlich war es ein heikles Thema. "Wir haben eine Weile gebraucht, bis wir ihn gefunden hatten. Wundert mich, dass du nicht zur Beerdigung gekommen bist, Tate. Ihr zwei wart euch doch mal nah genug, um denselben Zahnstocher zu nehmen."
"Wann..." Tate schien zugleich die Luft und die Stimme wegzubleiben. Er nahm einen kräftigen Schluck, um die Kehle wieder frei zu bekommen. Dann schob er den schwarzen Stetson zurück und sah Ted ins Gesicht. Er musste sichergehen, dass der Alte sich keinen makaberen Scherz mit ihm erlaubte. "Wann?"
"Im letzten Winter." Ted drehte sich zu Gene Leslie, der auf dem Hocker an der Ecke saß. "Im März?"
"Anfang März", bestätigte Gene.
Tate begriff noch immer nicht. Der Schweiß brach ihm aus.
Hier in der Jackalope Bar zog niemand die Jacke aus, weil man sie nirgends aufhängen konnte. Und alle trugen Cowboy-Hüte, denn im Jackalope hingen nur Cowboys herum.
"Stimmt nicht", sagte Gene nachdenklich. "War wohl doch mehr Mitte März. Die Färsen hatten gerade gekalbt, und ich glaube..." Er kniff die Augen zusammen, starrte Tate durch den blauen Qualm an. "Wusstest du das mit Kenny noch gar nicht?"
Tate schüttelte den Kopf. "Was zum Teufel ist passiert?"
"Er war an dem Tag noch hier." Ted wischte sich die Hand an dem Tuch ab, das er sich in den Gürtel gestopft hatte, und zeigte auf den Tisch an der gegenüberliegenden Wand. "Saß da drüben und hat mit Ticker Thomas, dem Pferdehändler, geredet. Bis zum späten Nachmittag. Als seine Frau anrief, habe ich ihr gesagt, dass er schon weg ist. Und dass er nüchtern war. Danach hat sie nämlich gefragt."
"War er ja auch. Leider", ergänzte Gene. "Wenn er mehr Alkohol intus gehabt hätte, hätte er die Nacht vielleicht überlebt.
Mein Onkel Amos hat mal zwei Tage durchgehalten. Mitten im November, als er im Graben gelandet ist."
"Dein Onkel Amos ist selbst zum Sterben zu starrköpfig", sagte Charlie Dennison mit schwerer Zunge.
"Er war randvoll. Deshalb hat's ihm auch nicht so viel ausgemacht, als sie ihm die erfrorenen Zehen abgenommen haben." Gene rückte seinen Hut zurecht. "Der arme alte Kenny hätte mehr tanken sollen." "Kenny trank nur Bier", sagte Tate.
"Sein alter Pick-up stand nicht auf der Ranch. War es ein..."
Gene
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