Dieser Kuß veraendert alles
ohnehin nicht gekommen. Zu einer Party ja, aber zu einem Begräbnis?
Jetzt hatte das Schicksal sie wieder zusammengeführt. Und noch immer verunsicherte und beunruhigte er sie. Er brachte sie dazu, Dinge tun zu wollen, die sie nicht tun sollte. Sein Blick, seine Gegenwart forderten sie dazu auf, so spontan und unbesonnen zu sein wie er.
Selbst in der Trauer war er eine Provokation. Es wäre so einfach gewesen, sich gehen zu lassen, in seinen Armen zusammenzubrechen. Genau das hatte er vermutlich erwartet.
Genau das erwarteten wohl alle. Und genau das durfte Amy sich nicht erlauben, denn sie hatte eine Verantwortung übernommen.
Es war schon spät, als sie den Pick-up hörte. Vermutlich jemand, der ihr sagen wollte, dass das verdammte Westgatter schon wieder offen stand. Seufzend stand sie auf. Draußen bellten die Hunde wie verrückt.
Amy schaltete die Verandalampe ein und sah durchs Fenster.
Das Gesicht, das zurückblickte, war beunruhigend vertraut. Im Schatten wirkte es härter als vorhin am Tag, die Bartstoppeln waren dunkler, die schwarzen Augen blickten nicht mehr so versöhnlich, der Mund wirkte grimmiger. Es war kein Gesicht, das einem spät am Abend willkommen war. Dennoch öffnete sie die Haustür.
Tate fühlte sich wie bei einer polizeilichen
Gegenüberstellung, während er in der Kälte stand und darauf wartete, dass sie ihn hereinließ.
"Oh, Tate." Es klang, als hasste sie jede Art von Überraschung. "Komm herein. Wir haben schon gegessen, und Jody..." Sie wich zurück, als er die Veranda betrat.
Er kam sich vor, als wäre er viel zu groß für die kleine Tür, und zog verlegen den Kopf zwischen die Schultern, als er eintrat und den Stetson abnahm.
"Aber ich kann dir etwas warm machen", fügte sie hinzu.
"Ich bin nicht zum Essen gekommen." Er spielte mit der breiten Krempe seines Stetson. "Ich suche einen Job."
"Einen Job?" Sie lachte nervös. Hier, in ihrer Küche, sah er wirklich aus wie ein riesiger, aber schüchterner Cowboy. "Hast du dein ganzes Geld für die Pferde ausgegeben?" So etwas kannte sie von Kenny. Tate hatte einige unvernünftige Angewohnheiten, aber seinen letzten Dollar für nutzlose Pferde auszugeben gehörte nicht dazu.
"Geld habe ich", versicherte er. "Was ich brauche, ist ein Dach über dem Kopf."
"Versuch's im Motel." Es war nicht sarkastisch gemeint, aber seine gekränkte Miene verriet, dass es genau so geklungen hatte.
"Ich habe genug von Motels." Er straffte die Schulter und nickte zur Kellertür hinüber. "Du hast unten noch ein Zimmer.
Und du brauchst einen Helfer."
"Ich brauche keinen..." Sie holte tief Luft. "... so großen Gefallen."
"Es wäre kein Gefallen. Ich esse eine Menge und..." Er ließ seinen Blick durch die Küche wandern. "... verbrauche viel heißes Wasser."
"Viel mehr als das kann ich dir auch nicht bieten."
"Alles, was ich will, ist Unterkunft und Verpflegung." Er stopfte die Hände in die Taschen und lächelte schief. "Und sämtliche Patronen für die Schrotflinte."
"Du hast davon gehört? Das war im Juni. Ich bin jetzt zwar etwas langsamer als damals, aber viel weiter als er wirst du auch nicht kommen, also..."
"Dein Bauch ist so groß wie ein Stop-Schild", sagte er, und aus seinem Blick verschwand jede Belustigung. "Mehr brauchst du nicht, Amy. Ein großes, rotes Stop-Schild."
Also erinnerte er sich. Nun ja, sie auc h. Sie hatte Ken nie davon erzählt, wie Tate sie einmal geküsst hatte. Erstens war es passiert, bevor sie geheiratet hatten, und zweitens war sie allein damit fertig geworden. Warum sollte sie sich .jetzt nicht von ihm helfen lassen? Niemand konnte behaupten, dass Tate Harrison nicht fest zupackte, wenn er es wollte.
Und an der Art, wie seine Augen aufblitzten, als sie nickte, sah sie, dass er wollte.
"Du hast recht", sagte sie. "Ich brauche jemanden. Jemanden, dem ich trauen kann. Wenn du gerade etwas freie Zeit hast..."
Er las die Frage in ihren Augen. "So viel du brauchst."
"Eins verspreche ich dir, Tate. Ich bin danach bald wieder auf den Beinen. Das war ich bei Jody auch."
"Ich hole meine Sachen." Er ging zur Tür und setzte den Stetson auf. "Und morgen früh jage ich als erstes diese verlausten Blöker von deinem Land."
"Du meinst die Schafe?"
"Irgendwo muss ein Loch im Zaun sein", erwiderte er.
"Entweder das oder..."
"Oh, Tate." Da war es wieder. Oh, Tate. Diesmal ohne die Kühle in der Stimme. Im Gegenteil. Offenbar hatte er etwas Lustiges gesagt, denn sie lachte. Er liebte den vollen Klang ihres
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