Dieser Mann ist leider tot
belastenden Stapel Philip-K.-Dick-Samisdat-Manuskripte finden kannst, und dann schlepp sie zu Ihrer Majestät, so schnell du verdammt noch mal kannst. Mit schmerzenden Armen und etwas unscharfem Blick stolperte Lone Boy in dem Apartment umher und wühlte nach den Dickiana, die Miss Grace haben wollte. Er suchte in Bücherschränken, hinter dem Sofa, in Kommodenschubladen, in Wandschränken, unter Betten, in Küchenschränken und schließlich in der olivgrünen Kiste, in der Cal sie tatsächlich verwahrte. Er legte das bestickte Kissen, das auf der Kiste lag, beiseite, hob den Deckel und starrte – mit einer Art verwirrter Ehrfurcht – auf die Spiralhefter, die Cals kostbaren Besitz enthielten.
Jetzt bist du schon so weit gekommen, dachte er. Jetzt bring’s auch zu Ende und nimm sie alle – sie sind die Eintrittskarte zu Freiheit und Wohlstand für dich.
Loan holte eine Einkaufstüte aus der Küche – eine solide, mehrfach verwendbare – und füllte sie mit den Heftern, neun Stück insgesamt. Verrücktes Zeug. ›Now Wait for Last Year‹, ›Do Androids Dream of Ambitious Veeps?‹ Solches Zeug. Total hinüber. Zeug, das nur ein Roter oder vielleicht ein Rauschgiftsüchtiger aufbewahren würde.
Das war das Traurige an den geborenen U.S.-Bürgern. Viele von denen wußten nicht, was sie hatten.
Die Einkaufstüte mit den neun Spiralheftern war schwer. Loan trug sie vor dem Bauch, die Knie eingeknickt, und er ging vorn zur Haustür hinaus, als wohne er in dem Reihenhaus. Dann überquerte er wankend die Chipley Street, ging zur alten ›Swish‹-Fabrik und hinten herum zu seinem parkenden Wagen. Es war zwar noch Nachmittag und schmerzhaft hell, aber niemand beachtete ihn. Vielleicht waren alle immer noch draußen bei der aufgesetzten Leichenfeier auf dem Gestüt. In diesem Fall hatte Miss Graces Gorilla ihm einen prächtigen, prächtigen Tip gegeben.
Verdammt, dachte Lone Boy, als er heim nach LaGrange fuhr. Endlich frei. Großer allmächtiger Gott, ich bin endlich frei …
18 Als der Regen aufhörte, blickte Cal nach unten. Neben ihm stand, Wasser von den muskulösen Unterarmen schüttelnd, Kenneth ›Horsy‹ Stout, Jeff Bonners Stallknecht. Er hatte gerade die Wasserhähne zugedreht und blinzelte jetzt mit seinem konkaven Ebenholzgesicht zu Cal herauf; in seinem Blick war die Vermutung zu lesen, daß bei Cal soeben eine Milliarde Zerebralneuronen durchgebrannt seien.
»Müssen sich ausziehen, bevor Sie hier reinhopsen«, sagte er. »So versauen Sie sich die Klamotten.«
»Hallo, Horsy«, sagte Cal. »Ich hab versucht, zu weinen.«
»Ihre Frau wird auch weinen, wenn sie sieht, was Sie mit Ihrem Anzug gemacht haben.«
»Sie wird weinen, wenn sie sieht, daß alle anderen sehen, was ich mit meinem Anzug gemacht hab.«
»’scheinlich. Warum kommen Sie nicht raus und ziehen sich um, Mr. Cal? Sind fast alles Reitklamotten, aber nicht so durchnäßt wie die Plünnen, die Sie jetzt anhaben.«
Was habe ich zu verlieren? dachte Cal. Er folgte dem verkrüppelten Zwerg, einem Schwarzen von Anfang fünfzig, in die Sattelkammer und setzte sich in seinem tropfnassen Anzug vor einen Spind, den Horsy eben geöffnet hatte.
Cal zog sich aus, und der Stallknecht brachte ihm ein großes, flauschiges Handtuch, saubere Boxershorts, ein Unterhemd und ein Paar schwarze Socken. Im Spind fand Cal eine Reithose, ein Seidenhemd mit weiten Ärmeln (Douglas Fairbanks oder Errol Flynn hätten so was in einer Mantel-und-Degen-Oper aus den dreißiger Jahren tragen können), Reitstiefel und eine Polokappe.
»Wenn ich diesen Mist anziehe, sehe ich aus wie ein Fatzke.«
»Wenn nicht, sehen Sie aus wie Evas Big Daddy mit dem nackten Arsch.«
Also trocknete Cal sich ab und zog murrend das Reiter-Outfit an. Alles paßte halbwegs, sogar die Stiefel. Während er sie anzog, brachte Horsy ihm ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich mit einer eigenen Dose auf das Ende der Bank.
Cal hörte lange genug auf, an seinem Stiefel zu ziehen, um einen Schluck aus der Dose zu nehmen, daß ihm die Augen brannten. Malzige Kälte donnerte durch seinen Schlund und spülte ein wenig von der Scham über sein Aristokratenkostüm hinunter.
»Danke.«
»Tut mir leid wegen Miss Emily, Mr. Cal.«
»Hast du sie gekannt?«
»Als ich klein war – ’türlich war ich immer schon klein –, da war sie die einzige, die mich nicht wie ’n Monster behandelt hat. Deswegen tut’s mir leid um sie. Wenn die Pferde nicht wären, wäre ich auch auf der
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