Dieser Mann ist leider tot
sondierende Kleiderbügeldraht bog sich, und Loan fluchte; er hatte Mühe, ihn wieder herauszuziehen. Besorgt ließ er den Blick durch den Garten und den Durchgang zwischen dem Doppelhaus und dem benachbarten Holzhaus wandern. Niemand beobachtete ihn, aber er hörte den Verkehr, der sich zwei Straßen weiter durch die Stadt wälzte. Er stocherte noch ein wenig im Schloß herum; Schweiß rann ihm über die Rippen, und ein Schnurrbart aus Feuchtigkeit schimmerte an seiner Oberlippe.
Dann warf er den Draht erbittert weg. Ein anständiges FAZ hätte uns eine Einbrecherausbildung zukommen lassen, dachte er. Alte Hitchcock-Filme im Fernsehen anschauen, das allein brachte es einfach nicht.
Eine Heiz-Kühl-Einheit saß unter einem der hinteren Fenster der Wohnung. Lone Boy kletterte auf den Kasten, hebelte das leichte Fliegengitter vor dem Fenster los und warf es auf den Rasen. Das Fenster selbst war unverriegelt; Loan, der sein Glück nicht fassen konnte, öffnete es, indem er mit den Handballen oben unter den Rahmen schlug. Ratternd und knarrend hob sich das Fenster, und Loan konnte ins Schlafzimmer der Bonner-Pickfords schauen. Er lehnte sich über den Spalt zwischen dem Klimaaggregat und der Hauswand und betrachtete die Habe seiner Opfer. In verblüffender Weise erinnerte das Zeug ihn an den Schrott, den er und Tuyet besaßen: Billige Kiefernholzkommoden, ein Bücherregal aus Brettern und Ziegelsteinen, eine Hängelampe. Etcetera.
Beklau deinen Kumpel, ermunterte Lone Boy sich spöttisch. Geh rein und bestiehl deinen Freund aus dem Einkaufszentrum.
Ein anderer Teil seiner selbst sagte in aller Aufrichtigkeit: Geh einfach nach Hause, Le Boi Loan. Gib diese schmutzige Mission auf.
Aber wenn du’s nicht machst, du Arschloch, dann wirst du ›aufgefrischt‹, bei Miss Grace in ihrem Scheiß-FAZ.
Na schön. Und?
Was soll das heißen, ›und‹?
Kann das schlimmer sein als das hier? Schlimmer, als den Dieb zu spielen, um dir ein bißchen Zeit und Unannehmlichkeit zu ersparen?
Und Lone Boy, wie eine Brücke zwischen Haus und Kühleinheit schwebend, hatte das Gefühl, daß sein besseres Ich in dieser Stegreifdebatte die stärkeren Argumente vertrat. Er sollte dieses Fenster schließen, hinunterklettern und zu Tuyet und den Kindern nach Hause fahren. Ganz gleich, was für eine rächende Strafe Liberty Belle sich ausdenken würde – er würde sie eben akzeptieren müssen. Zumindest würde er dann nicht jeden Abend sein Gewissen betrügen müssen, um ein bißchen Schlaf zu finden …
Dann hörte er das Knurren. Zu seiner Rechten kam er um den Ostflügel des L-förmigen Doppelhauses herumgetappt, der ehrfurchtgebietende Viking. Loan mußte unter seinem Arm hindurch spähen, um den Husky zu sehen, aber das Knurren gab ihm zu verstehen, daß er etwas unternehmen müsse, denn sonst wäre er gleich Hundefutter. Er könnte hinunterspringen und rennen, aber er war sicher, daß Viking ihn einholen würde, bevor er die Straße erreicht hätte. Er würde am Blutverlust sterben; es würde nur so aus seiner Halsschlagader hervorsprudeln. Der Hund würde unterdessen breitbeinig über Loan stehen und angewidert Fleisch und Adern aus seiner Kehle reißen und hinunterwürgen.
Keine gute Wahl, entschied Loan.
Als Viking näher kam, eher pirschend als attackierend, begriff Loan, daß der Hund das Halsband nicht mehr trug, mit dem Cal ihn normalerweise an die Kette legte. Vike hatte es wahrscheinlich abgestreift, als Loan an das Fenster geschlagen hatte. Jedenfalls wurde das Knurren des Tieres bei jedem bedrohlichen Schritt, mit dem es sich der Kühleinheit näherte, immer tiefer und wilder.
Loan schloß die Augen. Was würde Daredevil in einer solchen Situation tun? Daredevil, Matthew Murdocks superheroisches Alter Ego, war natürlich blind, aber Vikings Knurren hätte ihn schon längst auf die Gefahr aufmerksam werden lassen. Vielleicht hätte Daredevil – mit seinen geschärften Sinnen und Reflexen – schon das verräterische Klingeln der Hundemarke oder sogar den Herzschlag des Tiers gehört, als der Husky sich von seinem Halsband befreite, und dann wäre er um das Haus herumgeschlendert, um sich mit dem Hund anzufreunden und ihm das Halsband wieder anzulegen und festzuzurren.
Hör mal zu, du Arschloch, du bist kein beschissener Matt Murdock, und du hast keine Superkräfte, dachte Loan, und er öffnete die Augen und sah, daß Viking zum Sprung ansetzte. Er wird dich mit dem Arsch ins Gras schmeißen, und du stirbst, während dir
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