Dieser Mann ist leider tot
beängstigend vorkommen würde. Meinen Sie nicht?«
»Wahrscheinlich.«
»Aber Daddy war ein Fels. Für ihn waren die Vereinigten Staaten von Amerika die Stadt Gottes auf Erden. Er flog freiwillig in Korea, weil er glaubte, die Rotchinesen würden die Halbinsel überfluten und Japan und ganz Indochina erobern, wenn wir sie dort nicht stoppten. Er flog die F-84, sechzehn Monate lang während unserer sogenannten Polizeiaktion dort. Später verließ er Mama und mich, um sich irgendeiner streng geheimen Ausbildung in der Edwards Air Force Base zu unterziehen, und als er bei einem Flug über der Sowjetunion mit der U-2 ums Leben kam, erfuhren wir, was Daddy getan hatte. Das war 1961, ganz zu Anfang von Jack Kennedys Regierung, kurz nach Erscheinen von ›The Broken Bubble of Thisbe Holt‹, und in den Nachrichten wurde es nie erwähnt. Kennedy und Chruschtschow trafen sich im Juni in Wien, und weder dieses Russenschwein noch unser blonder Demokrat aus Massachusetts wollte, daß ihre Gespräche von einem weiteren U-2-Zwischenfall torpediert wurden, wie schon der Bock, den Francis Gary Powers geschossen hatte, Ike Eisenhowers Gipfelpläne mit Chruschtschow sabotiert hatte.
Es war ein Hohn. Daddy flog über Rußland, um gegen den Kommunismus zu kämpfen, aber unser Playboy-Präsident und der Bauern-Premier taten beide so, als sei er gar nicht dagewesen. Warum? Damit JFK und Nikita für die Leute zu Hause wie große Kanonen aussehen konnten. Das war der Augenblick, wo ich begriff, daß dieser Kennedy-Clown – der Kerl, der kurz vorher noch den Freiheitskämpfern in der Schweinebucht die Luftunterstützung versagt hatte – auch nicht vertrauenswürdiger war als der dicke Mann, der meinen Daddy abgeschossen hatte. Und auf der Stelle fing ich an, nach einer konservativen Alternative zu Kennedy zu suchen. Die fand ich in Barry Goldwater.«
Oh, yeah, dachte Lia, an den erinnere ich mich. Er war der Patriot, der 1964 auf dem Nationalkongreß der Republikaner aufstand und erklärte: »Extremismus in der Verteidigung der Freiheit ist kein Laster.« Johnson schlug ihn vernichtend, aber Goldwaters erfolgloser Wahlkampf in dem Jahr bahnte den Weg für Nixons Comeback im Jahr ’68, und die Demokraten haben seitdem keinen überzeugenden Herausforderer mehr aufstellen können.
»Also haben Sie alles, was Sie seitdem politisch getan haben«, sagte Lia, »im Gedenken an Ihren Vater getan? Ist es das?«
»Natürlich. Daran besteht kein Zweifel. Und wenn er sehen könnte, wie meine Arbeit – mein Aktivismus in Hollywood, meine Amerikulturationsprogramme, meine beständige Unterstützung für Dicks Innen- und Außenpolitik – zur gegenwärtigen Gesundheit unserer Nation beigetragen hat, nun, Lia, ich weiß, er wäre stolz auf mich – ich weiß es wirklich. So, wie er stolz auf mich war, weil ich sein Trainingsflugzeug flog – den Joystick packte und es über den Himmel bewegte –, als ich erst vier Jahre alt war. Scheiße, jawohl, er wäre stolz. Wenn er es nur sehen könnte …« Die Stimme der Schauspielerin verklang in atemlosem Zischeln.
Derweilen senkte sich eine große Melancholie auf Lia. Grace Rinehart war eine megalomanische Superpatriotin mit einem Elektra-Komplex. Ihr Daddy hatte ihr als Kleinkind die phallische Kontrolle über ein Ausbildungsflugzeug der Air Force übertragen. Später, als sie eine Leinwandkarriere erklommen hatte, die ihr seine ewige Bewunderung gesichert hätte, war er im Herzen der Sowjetunion zu Tode gekommen, und zwar in der Regierungszeit eines Mannes, den sie in seinem Privatleben nur als opportunistischen Windhund und in der Erfüllung seiner präsidentialen Pflichten als selbstsüchtigen Verräter betrachten konnte. Diese disparaten Episoden hatten die Psyche der Frau auf eine Weise geprägt, daß sie einer Bewußtseinstherapie wahrscheinlich zehn Jahre lang widerstehen würde; und Lia konnte sich nicht vorstellen, noch eine oder zwei Wochen länger mit ihr Sitzungen abzuhalten – von zehn Jahren einmal ganz zu schweigen.
Ich werde dieses fanatische Biest nie dazu bringen, sich selbst zu mögen, dachte sie verbittert. Selbst wenn ich einen kleinen Fortschritt mache, werde ich das nur auf Kosten meines eigenen Seelenfriedens tun. Ich bin als Frau herabgesetzt, und wie eine herabgesetzte Frau eine Frau kurieren soll, die sich insgeheim der Liebe ihres Daddys für unwürdig hält, das ist ein Geheimnis, das ich wohl niemals ganz ergründen werde …
20 Vear merkte, daß jemand ihn
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